Karl's kühne Gassenschau - Daniel Bill 2016

Der vielseitige Schweizer Schauspieler Daniel Bill spielt im «Tatort», verkörpert gerade den Winkeladvokaten «Kanter» im Bernhard-Theater und ist in Winterthur zum dritten Mal in Folge in Karl’s Kühne Gassenschau zu sehen. In der neuen Produktion «Sektor 1», die noch bis zum 3. Juni 2017 gespielt wird, verkörpert Dani Bill den Rädelsführer Ricco. Wir trafen ihn bei den Proben in Winterthur.

event.: Hallo Dani, du spielst jetzt schon das dritte Mal bei Karl’s Kühne Gassenschau – was fasziniert dich an dieser Theatertruppe?

Daniel Bill: Karl’s Kühne Gassenschau ist einzigartig, weil diese Theaterform vor allem eine hohe körperliche Fitness erfordert: Wir machen waghalsige Sprünge, wir singen alle, es gibt immer eine Live-Band, es ist Action pur, aber kein Musical. Es ist schlicht mit nichts anderem vergleichbar. Für mich ist das richtig Rock ’n’ Roll. Ich kann meine Rampensau-Qualitäten voll ausleben.

Welche Rolle spielst du in «Sektor 1»?

Ich spiele Ricco, einen Rädelsführer in der letzten Öko-Zone der Welt, dem Sektor 1. Ricco hat ein enormes Aggressions-Potenzial, er ist ein ehemaliger Rock-Sänger, dessen Tour abgestürzt ist, weil Strom nicht mehr erlaubt ist. Das ist eine tolle Rolle. Im Sektor 1 sieht vordergründig alles grün und schön aus, aber im Untergrund brodelt es ganz schön. Eigentlich ist es ein Straflager, und ich bin der Anführer der Revoluzzer.

Was erwartet uns im Stück «Sektor 1»?

Es geht im Stück um menschliche Abgründe: Der Sektor 1 steht für den letzten Flecken intakte Welt, der Rest ist zerstört. Und dann schlägt die Erde zurück. Da gibt es einen richtigen Tsunami, und die ganze Sache eskaliert.

Das klingt aber sehr pessimistisch!

Die Thematik von «Sektor 1» wirkt zynisch, aber auch realistisch. Die gebeutelten Menschen können sich im Sektor 1, im letzten Umwelt-Sektor, erholen. Da ist aber auch nur vordergründig alles in Ordnung. Plötzlich geht die Revolution los. Ein Turm wird erstürmt, da werden die Funken fliegen!

Wie fit musst du sein für diese Rolle und wie hältst du dich fit?

Da ich viel rede und singe und grosse Distanzen zurücklege in dieser Inszenierung, verlangt diese Rolle viel physische Kraft. Ich habe aber durchs Joggen eine gewisse Grundkondition. Dann mache ich regelmässig Yoga und trainiere noch mit 16-Kilo-Hanteln.

Vorhin sind da drüben einige Schauspieler vom hohen Turm gesprungen – machst du das auch?

Ja, wir Schauspieler müssen alle Stunts können, damit wir im Notfall füreinander einspringen können. Ich war sogar der erste, der von diesem 9-Meter-Turm gesprungen ist, darauf bin ich richtig stolz. Im Stück habe ich aber ein Double. Nur im Notfall springe ich selbst.

Aha, warum denn das?

Vor zehn Jahren habe ich meine Stunts noch gemacht wie ein Muni in den Misthaufen! Dabei habe ich mir aber die Nase und die Hand gebrochen und dabei auch regelmässig Grenzen überschritten. Das muss jetzt nicht mehr sein.

Karl’s Kühne Gassenschau versucht immer, Grenzen zu sprengen. An welche Grenzen stösst du im Moment?

Ich bin genau jetzt in den Proben an eine Grenze gekommen: Im Lärm der Baustelle zu proben, macht sehr müde, und ich habe gemerkt, dass meine Figur noch nicht «zu Ende» ist. Ich muss also schauen, was der Figur noch fehlt, mich noch mehr mit den Emotionen auseinandersetzen.

Wie machst du das?

Das ist anstrengend, da habe ich dann auch mal schlaflose Nächte, weil ich merke: «Der Ricco ist noch nicht fertig!» Das ist natürlich mein persönlicher Ehrgeiz, und darunter leidet manchmal auch meine Familie. Richtig gut wirds erst, wenn ich von der Figur träume. Ich bin in den letzten Proben auch ziemlich dünnhäutig geworden, das hängt sicher auch mit dem Thema von «Sektor 1» zusammen – wir zeigen da schon eine ziemlich drastische Welt – das geht mir manchmal an die Nieren.

Überwiegt jetzt der Spass oder der Ernst in dieser Produktion?

Es hält sich die Waage. Wir produzieren viel Spass, aber es ist auch ein bitterer Nachgeschmack dabei.

Du bist vor kurzem wieder Vater geworden. Wie hat das dein Leben verändert?

Ich bin sehr glücklich und schaue jetzt viel optimistischer in die Zukunft. Früher wollte ich ehrlich gesagt überhaupt keine Kinder, jetzt habe ich meine Meinung geändert. Jetzt denke ich: Kinder sind Hoffnung. Das liegt sicher auch an meiner Frau. Im Ganzen haben wir jetzt vier Kinder: Grace ist sechs Jahre alt, Amy und Jack sind drei, und Jolene ist drei Monate alt. Wir versuchen, unsere Kinder schon zu einem achtsamen Umgang mit der Natur zu erziehen.

Wo lebst du mit deiner Familie?

Wir wohnen im Kanton Schwyz, ganz im Grünen, das ist wunderbar. Wir leben sehr gesund und sind mitten in der Natur.

Wenn du in die Zukunft schaust, was siehst du dann?

Ich sehe es nicht mehr so schwarz wie auch schon. Aber ich denke, wir sind, was die Umwelt angeht, schon lange über die Grenzen gegangen. Jetzt braucht es alle Kräfte, damit wir die Zukunft noch positiv erleben können.

Wer soll sich «Sektor 1» anschauen?

Alle, die Lust haben auf einen unvergesslichen Sommerabend, wo sie lachen können und gleichzeitig viel Tiefgang erleben. Die Tribüne ist gedeckt, das heisst, man kann auch bei Regen kommen – und vorher noch gemütlich Abend essen hier bei uns auf dem Gelände.

KARL’S KÜHNE GASSENSCHAU
«Sektor 1» 2016/2017
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