
Depeche Mode, seit 37 Jahren aktiv, besinnen sich auf ihrem vierzehnten Album «Spirit» auf ihre altbewährten Qualitäten und wirken gleichzeitig frisch – mit aktuellem, wenn auch düster-ernstem Kommentar zum Weltgeschehen.
Aus den Synthesizer-Boygroup-Milchbubis der frühen Achtziger Jahre sind längst Ikonen der Popmusik geworden. Nach erfolgreichen Achtzigern, exzessiven Neunzigern und etwas Midlife-mässig orientierungslosen Nullerjahren beweisen sie jetzt Reife, schon fast Altersweisheit. Rückblick in Zahlen: 100 Millionen Tonträger verkauft, über tausend Konzerte, laut Magazin «Q» erfolgreichste Elektronikband aller Zeiten – und garantiert die Band mit den meisten Coverbands und Tribute-Veranstaltungen, zum Beispiel die regelmässig stattfindende «More than Mode»-Party in Zürich.
Das neue Album
Fällt einem nach 13 Alben noch etwas Neues ein? Dave Gahan, Martin Fletcher und Martin Gore kommentieren die Zeichen der Zeit. Ohne Namen zu nennen, nehmen sie Bezug auf aktuelle Populisten und Volksverführer. Sie zeichnen ein düsteres Zukunftsbild: Im Zentrum steht der schon vorab veröffentlichte Track «Where’s the Revolution». Hausfotograf und -filmer Anton Corbijn schuf dazu das beste Video seit «Enjoy the Silence» und «Personal Jesus»: Mit Karl-Marx-Bärten schieben die Drei ein Holzpodest auf den Fabrikhof, Dave Gahan mimt einen Revoluzzer in direkter Anlehnung an Lenin. Gemeint sind aber bestimmt aktuellere Volksverführer und Populisten. Symbolisch-satirisches Welttheater mit der Botschaft: Die Geschichte wiederholt sich, Revolution mündet meist im Desaster.
Auch in allen anderen Tracks dringt die düstere, wenig optimistische Botschaft durch. Erstmals wirkten auch Produzent und Keyboarder Peter Gordeno sowie der österreichische Schlagzeuger Christian Eigner bei den Aufnahmen mit, die sonst nur auf der Bühne dabei sind.
Anspieltipps
«Where’s the Revolution» – Perfekt! Eine Einheit aus Sound, subtilem Humor, und eigentlich nur komplett mit dem nicht minder genialen Video.
«Eternal» – Es geht auch etwas sanfter und emotionaler. Ein Schlaflied für den Nachwuchs.
«So Much Love». Hat Drive. Akustikschlagzeug, stramme Gitarren vereint mit Synthie-Eskapaden. Ein Beweis, dass DM noch immer auch eine Rockband ist. Live bestimmt ein Knaller.
«Fail» – mit positiv stimmendem Schluss. Kraftwerk stand Pate, vor allem bei den Drumtracks. Mündend in versöhnliche Harmonien. Gibt es dennoch Hoffnung, auch in dunklen Zeiten?
Urteil
Auf ihrem schon vierzehnten Album gelingt es Depeche Mode, Selbstplagiat und Belanglosigkeit zu vermeiden, «Spirit» spiegelt den Geist der Zeit. Gleichzeitig bleiben sie ihrem Stil treu – und greifen sogar deutlicher denn je, wie zuletzt 1990 mit «Violator», auf ihre musikalischen Urväter Kraftwerk zurück. Nach einigen mittelmässig bis durchhängenden Alben ist das endlich wieder ein solider Stützpfeiler in der Depeche-Mode-Geschichte. Je mehr man reinhört, desto besser wirkt es. Sehr gelungen ist die CD2 mit den Remixes.
Live
Global Spirit Tour mit 32 Konzerten in 21 Ländern – anschliessend geht es in den USA weiter.