«Ich sehe mich in erster Linie als Mensch, erst dann als Frau und Afrikanerin», sagt Angélique Kidjo.

Die afrikanische Sängerin Angélique Kidjo (57) hat eine unglaubliche Karriere: Sie gewann drei Grammys, hat ihre eigene Wohltätigkeitsorganisation «Batonga» und wurde 2016 von Amnesty International zur Botschafterin des Gewissens gekürt.

Mit deinem neuen Projekt interpretierst du das Album «Remain In Light» von Talking Heads neu. Was genau wird anders?

Angélique Kidjo: Oftmals läuft es in der Musik nach dem «Eins-zwei-drei-vier-Prinzip». Darum habe ich mich dazu entschieden, afrikanische Musik in dieses Album zu bringen – um den Rhythmus etwas anzuheizen.

Du machst eine «Tribute To Celia Cruz»–Show. Wieso gerade
Celia Cruz?
Salsa ist gross in Afrika. Fast jede Band, die in Afrika auftritt, besteht aus Männern. Celia Cruz hat vielen Frauen gezeigt, dass solche Bühnenauftritte auch als Frau möglich sind. Als ich Celia Cruz auf die Bühne laufen sah, wusste ich: «Nichts ist unmöglich für Frauen.»

Mit 22 Jahren bist du nach Frankreich ausgewandert. Wieso?
Ich habe mein Land wegen dem damals dort herrschenden Kommunismus verlassen. Ich wollte nicht dort bleiben und mich einer Gehirnwäsche unterziehen. Ausserdem wäre ich möglicher-weise im Gefängnis gelandet, wenn ich geblieben wäre.

Seit 1990 ist Benin, dein Heimatland, eine Demokratie.
Genau. Wir hatten den Kommunismus satt. Darum haben die Bewohner dem Staatschef Mathieu Kérékou gesagt: «Entweder bringst du uns alle um, oder du gehst.»

Welche Erinnerungen hast du an deine Kindheit?
Viel Musik, Theater und Lachen. Meine Mutter leitete eine Theatergruppe. Seit ich mich erinnern kann, war ich im Musik-Business.

Die Meinungen zu Nelson Mandela gehen auseinander. Was hältst du von Nelson Mandela?

Ich schätze mich glücklich, ihn ein paar Jahre gekannt zu haben. Vor ein paar Tagen habe ich mich gefragt, was er von der Welt halten würde, in der wir heute leben. Etwas, das ich von Nelson Mandela gelernt habe, ist, zu vergeben. Es heisst nicht, dass man vergisst, wenn man weiterlebt. Ich finde, wir leben nicht in einer vergebenden Gesellschaft, sondern eher in einer Gesellschaft bestehend aus Schikane und Hass.

Du hast dein Jura-Studium abgebrochen. Wieso?
Unser System ist schwach. Man muss das Gesetz gar nicht zwingend kennen. Denn wenn man kein Geld hat, landet man ohnehin sehr schnell im Gefängnis.

Du hast eine Wohltätigkeitsorganisation namens «Batonga» gegründet. Wofür steht sie?
2016-03-16-1458162570-6001974-AngeliqueKidjo_Photocredit_GillesMarieZimmermanminWir unterstützen Mädchen und junge Frauen. Kinderheirat ist bei uns in Afrika keine Tradition. Das muss unbedingt aufhören! Ich verstehe nicht, dass die Männer das als in Ordnung empfinden. Mit Batonga geben wir den Mädchen die Möglichkeit, ihre Träume zu verfolgen.

Was ist dir bei einer Kollaboration mit anderen Musikern wichtig?
Ich frage mich jeweils, was sie von mir lernen können und umgekehrt. Es soll nicht um das Ego von irgendjemandem gehen.

Was willst du mit deiner Musik aussagen
Zu allererst: Liebe dich selber! Wenn du dich selber liebst und weisst, wer du bist und woher du kommst, kannst du eine bessere Person sein. Es geht nicht um Geld. Wir dürfen nicht vergessen, dass Geld uns nicht vor dem Tod bewahren kann. Geld wurde zu einer Gefahr und zum Feind Nummer Eins der Demokratie.

Welche Musik hörst du in deiner Freizeit?
Ich liebe klassische Musik. Meistens lasse ich aber den Zufallsmodus laufen. So bin ich. Ich will nicht nur eine Art von Musik hören.

Glaubst du an Gott?
Ich weiss nicht, was alle mit Gott meinen. Ich glaube an eine Kraft, die nie beurteilt und voll ist mit Liebe, Vergeben und Mitgefühl. Man kann das Gott nennen, wenn man will. In diesem Fall würde ich dann an Gott glauben. Ich verstehe nicht, dass Menschen an eine Religion glauben können, die deine eigenen Rechte nicht anerkennt. Ich glaube aber generell nicht, dass es eine Person ohne Spiritualität gibt.

Das Time Magazin hat dich «Africa’s premier diva» genannt. Wie gefällt dir das?Das ist, wie sie mich sehen. Wer bin ich, das zu beurteilen? Aber ich nehme das natürlich gerne an.

Wie siehst du dich denn selber?
Ich sehe mich als Mensch, bevor ich mich als eine Frau oder eine Afrikanerin sehe.

Welches ist der Lieblingsmoment deiner Karriere?
Meine Karriere kann kommen und gehen. Der grösste Moment in meinem Leben war, als mein Kind zur Welt kam.

Angélique Kidjo
25. Januar 18, Kaufleuten-Klubsaal Zürich
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