Chicago das Musical 2016
Ist ja egal, warum: Hauptsache, wir stehen in der Zeitung! Mediengeile Mörderinnnen.

Etwas aus der Abteilung «Klassiker, die man kennen muss»: Wäre Musical ein Schulfach, müsste «Chicago» zum Pflichtstoff gehören. Das Prädikat «Pädagogisch wertvoll» würde es aber nicht bekommen. Mediengeile Gattenmörderinnen sind ja keine Vorbilder für die Jugend! Aber hier sind sie die Stars.

Lust, Mord, Gier, Starkult, Erotik und Sensationslust. In «Chicago» gehts um alle die Themen, die Menschen wirklich interessieren. Auch alle, die das nicht zugeben. Die Geschichte ist ja auch aus dem Leben gegriffen: 1924 steht die Nachtclubsängerin Belva Gaertner wegen Mordes an ihrem Ehemann in Chicago vor Gericht. Wenige Wochen später bringt erneut eine Frau einen Mann um: Beulah Annan ihren Liebhaber. Maurine Dallas Watkins, Polizeireporterin der «Chicago Times», ist von den beiden Fällen fasziniert – und schreibt dazu ein Bühnenstück. 1926 feiert es in New York Premiere und wird zum Vorbild des Ginger-Rogers-Films «Roxie Hart». Der Streifen von 1942 inspiriert wiederum den Choreografen Bob Fosse, der den Stoff für das Musical «Chicago» bearbeitet. 1975 feiert es am Broadway Premiere, zeitweise spielt Liza Minnelli mit.

Die Inszenierung ist aufregend sinnlich: Schwarz ist der Humor und ebenso die Bühne, dunkel sind die Charaktere und Kostüme – das steht im Kontrast zu nackter Haut und schamloser Schandtaten. Immer bleibt es puritanisch, die 14-köpfige Big Band verschanzt sich nicht in einem Orchestergraben, sondern steht exponiert auf der Bühne – und wird gelegentlich sogar in die Handlung mit einbezogen.

Tiefschwarzer Humor, ätzend bissige Pointen

Neumödiger technischer Schnickschnack hingegen bleibt weg. Das macht «Chicago» zu einem Musical, in dem Darsteller allein auf ihr Können gestellt sind. Singen und Tanzen ist schon mal Grundbedingung. Wer in «Chicago» aber wirklich brillieren will, muss auch durch Komik überzeugen und mit Pointen voll ins Schwarzhumorige treffen.

«Chicago stellt das amerikanische Rechtssystem als eine Unterabteilung des Showbiz dar», schreibt das Fachmagazin «Musicalplanet». Das Stück erinnere an satirische Revuen à la Brecht/Weill – Mackie Messer lässt grüssen – und die Abfolge der beissend witzigen Songs wirke «wie ein Comic-Strip, der mit Säure geätzt wurde», lobt die Broadway-Gazette «Stagebill». Klar, so etwas wollen alle sehen!

«Chicago stellt das amerikanische Rechtssystem als eine Unterabteilung des Showbiz dar»

Schon bald trat das mörderische Musical seinen Siegeszug um die ganze Welt an: 30 Länder, 12 Sprachen, 17’000 Vorstellungen, 17 Millionen Zuschauer. Der Song «All That Jazz» wird ein Welthit. 1997 wird «Chicago» am Broadway neu aufgenommen, 2002 folgt die Verfilmung mit Catherine-Zeta Jones und Renée Zellweger.

Im November ist «Chicago» erstmals in Zürich zu sehen. Qualitativ wird die Produktion in englischer Originalversion der seit 20 Jahren ununterbrochen im New Yorker Ambassador Theater gespielten Version in nichts nachstehen: Ein Hauch von Broadway kommt nach Zürich-Oerlikon.

CHICAGO DAS MUSICAL
08.-20.11.16, Theater 11 Zürich
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