
Gillian Lynne, Sie haben 1981 die berühmte Choreografie von «Cats» kreiert und so massgeblich zum Welterfolg dieses Musicals beigetragen. Welche Bedeutung hatte das für Ihr Leben?
Ehrlich gesagt: Ich liebe diese Choreografien bis heute – denn sie sind total von mir geprägt! Es steckt unglaublich viel von mir in den «Cats»-Choreografien. Dieser Auftrag war also höchst bedeutungsvoll für mein Leben – und ist es bis heute, denn meine Arbeit ist immer noch sehr präsent.
Wie war die Stimmung damals, rund um die Premiere von «Cats»?
Oh, das war alles andere als einfach! Wir mussten hart dafür kämpfen, um «Cats» überhaupt zu realisieren. Ich hatte zum Beispiel nur vier Wochen Zeit, um die Choreografien, die echten Katzenbewegungen nachempfunden waren, mit dem Cast einzustudieren. Komponist Andrew (Lloyd Webber) und Trevor (Nunn) waren wie wild am Texten, und wir bekamen kaum das nötige Geld zusammen für die Produktion. Da «Cats» so verrückt erschien, haben uns die Leute ausgelacht! Dann war Premiere, und das Musical wurde ein massiver Hit!
«Wir bekamen kaum das Geld für «Cats» zusammen und wurden ausgelacht.»
Wie sah Ihr Leben nach der «Cats»-Premiere aus?
Ich hatte überhaupt keine Freizeit mehr. Ich war damals während fünf Jahren die einzige Choreografin, welche die «Cats»-Choreos wirklich vermitteln konnte. Also reiste ich fünf Jahre lang von Land zu Land, immer dahin, wo «Cats» gerade Premiere hatte, das war natürlich auch eine anstrengende Zeit. Und die Arbeit hatte einen hohen Preis: Ich habe seither zwei Stahlhüften und ein Stahlteil in einem Fuss.
Die Bühnenbewegungen der Katzen in «Cats» sind unglaublich realistisch und katzenähnlich. Wie ist Ihre Beziehung zu Katzen? Haben Sie selber welche?
Als ich die «Cats»-Choreografie 1981 entwickelte, noch nicht. Aber mein Pianist schenkte mir dann zu unserer Hochzeit zwei Katzen – eine weisse und eine schwarze. So hatte ich die Gelegenheit, diese süssen Tiere aus nächster Nähe zu studieren. Es half mir sehr, ihre Bewegungen zu verstehen, und auch, warum sie einen ganz plötzlich angreifen können! Ich verstand ihre Stimmungswechsel, von anschmiegsam bis zu total kratzbürstig. Heute sind diese Katzen längst nicht mehr da, aber ich habe zwei neue.
Was hat es mit den Veränderungen auf sich, die Sie im Jahr 2014 zusammen mit Andrew Lloyd Webber und einem Teil des Originalteams an «Cats» vorgenommen haben?
Oh, das betrifft die Katze Rum Tum Tugger. Der singt jetzt neu einen Hip-Hop-Song statt eines Rocksongs. Und die italienische Arie von Growltiger hat sich auch leicht verändert, aber das fällt nicht besonders stark ins Gewicht.
Wie war es für Sie, Ihr altes Team wiederzutreffen für diese Arbeit, zum Beispiel Andrew Lloyd Webber?
Es war fantastisch! Ich habe auch Bühnendesigner John Napier wiedergesehen, es war für mich sehr aufregend, dass die ganze kreative Truppe wieder zusammenkam.
Sie erhielten im Laufe Ihres Lebens unzählige Preise, der britische Staat verlieh Ihnen gleich zwei Ehrenauszeichnungen. Sie haben 50 Bühnenproduktionen choreografiert, für elf Filme gearbeitet und für diverse TV-Produktionen. Haben Sie beruflich noch Wünsche offen?
Ja, ich arbeite immer an etwas! Im Moment sind es zwei Projekte: Das erste ist eine Bühnenproduktion, die Tanz und Schauspiel vereint, mehr kann ich darüber aber noch nicht verraten – nur, dass diese Show 2017 Premiere haben wird. Und zweitens arbeite ich an einem grossen Traum von mir: Ich möchte das Buch verfilmen, das ich vor vier Jahren geschrieben habe: «A Dancer in Wartime» (Eine Tänzerin in Kriegszeiten). Bei dieser Verfilmung werde ich die Rolle einer Beraterin haben.
Welche Bedeutung hat der Tanz für Ihr Leben?
Tanz ist mein ganzes Leben! Seit ich acht Jahre alt bin, habe ich praktisch nur noch getanzt. Mit 14 Jahren wurde ich entdeckt, mit 17 tanzte ich meine erste Hauptrolle, und als der Covent Garden nach dem zweiten Weltkrieg 1946 wiedereröffnet wurde, tanzte ich eine der sechs Feen in Dornröschen, mein erstes grosses Solo. Es war einfach wunderbar.
Welche Musik hören Sie am liebsten?
Ich mag bis heute am liebsten klassische Musik: Tschaikowsky, Schostakowitsch und so weiter. Und ich mag guten, alten Jazz: Erroll Garner und Ella Fitzgerald. Da bin ich ziemlich altmodisch.
Seit 1981 ein Musicalerfolg auf der ganzen Welt: Tanzende und singende Katzen treffen sich zum Jellicle Ball. Jetzt wieder in englischer Originalversion in der Schweiz.