Seit 20 Jahren ist Gölä so erfolgreich wie kein anderer Schweizer Rockmusiker, und im Juni feiert er seinen 50. Geburtstag. Im grossen event.-Interview spricht der Star offenherzig über die Schattenseiten des Erfolgs – und des Älterwerdens.
event.: Gölä, am 7. Juni wirst du 50. Wie fühlst du dich?
Gölä: 50 Jahre! Ich hätte mir nie vorstellen können, so alt zu werden. Und jetzt, wo ich so alt bin, finde ich: Ich will nochmal 50 Jahre! Weil das Leben so kurz ist. Man sagt ja «Midlife Crisis» – die hatte ich wohl schon mit 16. Es ist ja so: Wenn du alt wirst, vergeht die Zeit schneller, vom Gefühl her. Wenn die nächsten 20 Jahre nochmals so schnell vergehen, bin ich übermorgen 70.
Hast du das Gefühl, dass du in deinem Leben irgendetwas verpasst hast?
Nein, ich würde alles nochmal genau gleich machen. Aber ich würde gerne die Welt erleben, wie sie in 100 Jahren ist. Es würde mich interessieren, was die Menschheit bis dann geschafft hat. Ob sie ins Weltall vorgestossen ist, oder ob wir uns vorher wieder in die Steinzeit zurückbomben?
Du kannst dich ja einfrieren lassen.
Das ist blöd. Das macht man mit Poulet oder Fleisch. Es geht ja nicht darum, dass man sein Leben verlängert. Wichtiger ist doch, dass man die Zeit, die man hat, nutzt.

Das hast du ja bisher getan, oder?
Manchmal denke ich, wo bleibt das mit dem Geniessen?
Kannst du denn deinen Erfolg nicht geniessen?
Ich geniesse die Freiheit, zu bestimmen, wo mein Leben hinführen soll. Für das, dass ich selbständig bin und genug Geld verdiene, habe ich eine Freiheit, die ich früher als Angestellter nicht hatte. Ich glaube, das ist eigentlich der Wert des Erfolgs. Dass ich mehr Zeit habe für die Kinder, dass ich mit meiner Frau während 80 Prozent der Zeit zusammen bin. Dass ich viel daheim bin. Wenn du da manche Leute anschaust, die Manager sind oder so. Die haben kleine Kinder, eine Familie. Und sie sind einfach nur die ganze Zeit weg und am Herumrennen. Es ist ein teurer Preis, den du zahlst, um einen Maserati in der Garage zu haben – oder eine Villa auf dem Zürichberg.
Aber das, was ich mit meiner Familie habe, mein Chalet am «Hoger» oben, das ist etwas, was ich nicht beschreiben kann. Das ist für mich Reichtum.
Der Maserati und die Züriberg-Villa haben dich nie interessiert?
Mich interessiert schon ein gewisses Eigentum, mein eigenes Land, mein Hüttli drauf. Dann ist man schon irgendwie unabhängig. Das ist ja das, was die Menschheit eigentlich sucht, Freiheit und Unabhängigkeit.
Du führst ein selbstbestimmtes Leben, obwohl du im Showbusiness tätig bist?
Ja, aber ich wollte nie wie ein Hollywoodstar leben. Denn das würde ein Vermögen kosten: Jeden Tag irgendwelche Bediensteten, Fahrer, Bodyguards und der ganze Mist. Um das zu erhalten, müsste man ständig weiter Erfolg haben, ständig unterwegs sein und tun und machen. Und das muss nicht sein, das Leben ist irgendwann vorbei. Man kann auch einfacher leben und das Geld, das man hat, besser einsetzen, statt es für Luxusblödsinn auszugeben.

Was war damals der Auslöser für dich, Musik zu machen?
Meine Mutter erzählte, immer wenn früher in unserer Blockmietwohnung in Thun Elvis im Radio lief, hätte ich ganz aufmerksam zugehört. Auch die erste Platte, die ich selber gekauft habe, war von Elvis. Ich habe auch viel schwarze Musik gehört, James Brown, Ike und Tina Turner und auch Hard Rock. Das waren so Phasen. Heute höre ich alles gerne, das einigermassen Musik ist. Nicht gerade Rap. Rap kann ich nicht ausstehen.
Du hattest aber nie eine musikalische Ausbildung?
Irgendwann haben mir Nachbarn eine Gitarre geschenkt, mit Nylonsaiten. Darauf habe ich die ersten Griffe gelernt. Einfach so. Vorher hatte ich Gedichte geschrieben. Aus den Gedichten wurden dann Lieder.
Worum ging es in deinen Gedichten?
Schon als Goof hatte ich Mühe mit der Ungerechtigkeit in der Welt, Neid und Hunger, Armut und so weiter. Wenn du in der Pubertät bist, bist du mehr oder weniger radikal; hast selber nichts. Du denkst, alle Reichen seien Arschlöcher, was so ja auch nicht stimmt. Früher war ich viel radikaler. Heute schreibe ich mehr darüber, was mich im Moment gerade beschäftigt.
Du berührst die Leute damit.
Warum das so ist, weiss ich nicht. Es ist mir ein Rätsel.
Eine Begabung?
Ein Geschenk. Irgendjemand wollte, dass ich das Zeug singe.
«Ich glaube, dass das Gute immer gewinnt. Auch wenn unser Planet in die Luft fliegt.»
Bist du gläubig?
Nein. Also ich bin schon gläubig, denn ich glaube an das Gute. Ich glaube, dass das Gute immer gewinnen wird – ganz zum Schluss. Auch wenn unser Planet mal in die Luft fliegen sollte, wird das für das Weltall letztlich etwas Gutes haben. Warum, weiss ich zwar nicht. Vielleicht fängt alles wieder von Neuem an.
Hast du vor 20 Jahren mit dem Erfolg gerechnet?
Ich weiss nur noch, dass ich damals weltberühmt werden wollte. Gut, dass dies nicht passiert ist.
Wolltest du nie eine Weltkarriere anstreben? Du hast ja immer wieder mal auch auf Englisch gesungen.
Zwischendurch habe ich immer wieder Ambitionen gehabt. Aber mein Schicksal weiss schon, warum das nie passiert ist – und nie passieren wird.
Warum nicht?
Ich glaube, dass ich gar nicht glücklich wäre, wenn ich Welterfolg hätte.
Warum wolltest du denn mal weltberühmt werden?
Weil ich damals gar nicht wusste, was Erfolg ist.
Gibt es denn einen negativen Aspekt im Erfolg?
Abartig viel Negatives! Die Öffentlichkeit, überflüssigen Plunder, den man machen muss. Doch wenn man eine neue Platte hat, muss man es ja sagen und auch Promo machen.
Letztes Jahr haben deine Interviews kontroverse Reaktionen ausgelöst. Hattest du damit gerechnet?
Ich rede gerne frisch von der Leber weg. Mit «Fake News» ist ein schöner Begriff aufgekommen. Journalisten können jeden Menschen gut oder schlecht darstellen. Manche Leute finden, ich sei ein wenig ein Fremdkörper in der Schweizer Szene, von meinem Denken oder meiner politischen Einstellung her. Man kann aus meinen Äusserungen einzelne Sachen herausnehmen, die ich so gar nicht gesagt habe. Ich habe es nicht gerne, wenn man probiert, aus mir einen Menschen zu machen, der ich nicht bin. Ich habe nichts gegen Minderheiten und bin auch ganz sicher kein Rassist – wie jeder weiss, der mich kennt. Ich bin mit Schwarzen, Ausländern, Schwulen, Lesben und anderen aufgewachsen und zähle viele zu meinem Bekanntenkreis. Doch diese Menschen sind aber auch nicht einfach alles Arme und Gute – es ist wie bei allen anderen auch: Überall gibt es gute und schlechte Menschen.

Hast du manchmal keine Lust, in der Öffentlichkeit zu stehen und Musik zu machen?
Die Musik liebe ich ja. Aber am liebsten ginge ich nur ins Studio und danach wieder auf die Baustelle. Am Schluss bin ich ja froh, wenn es gut herauskommt. Aber wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Neben meinem normalen Leben mache ich immer noch gerne Musik. Aber das Drumherum gefällt mir nicht und wird mir auch nie gefallen.
Welcher ist der beste oder der wichtigste Song, den du bisher geschrieben hast
Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Wahrscheinlich ist es der, den die Leute am liebsten haben. Wahrscheinlich ist es der «Schwan». Den ich übrigens nicht ausstehen kann.
Du kannst den «Schwan» nicht ausstehen?
Ja, wie soll ich sagen? Ich bin mit Musik aufgewachsen, die recht männlich geprägt ist, sei es James Brown oder so. Aber der «Schwan», der könnte auch von einer Frau geschrieben sein. Vielleicht stört es mich auch, dass alle immer vom «Schwan» reden. Ich habe das Gefühl, dass ich meinen Lieblingssong noch gar nicht geschrieben habe. Wenn du einigermassen gesund bist im Kopf, findest du wahrscheinlich die Sachen, die andere machen, geiler als dein eigenes Zeugs.

Im Dezember spielst du gleich dreimal im Hallenstadion – aber sonst sind dieses Jahr gar keine weiteren Konzerte geplant. Wirst du dieses Jahr bis im Dezember musikalisch gar nichts tun?
Das ist schon der Plan. Aber es kann sein, dass ich schon morgen etwas Gegenteiliges sage oder schon nächste Woche wieder ins Studio will. Es ist spannender, es einfach passieren zu lassen statt alles vorauszuplanen. Im Leben kann man eh nichts bestimmen. Kann ja sein, dass ich mir etwas vornehme für den Juni – und wenn ich jetzt heimfahre, bin ich tot. «Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähl ihm von deinen Plänen.» Diesen Spruch finde ich gut.
Hat die Familie für dich einen hohen Stellenwert?
Ich finde, das ist der Sinn des Lebens. Da kannst du lange Psychokurse besuchen und Yoga machen, am Schluss ist einfach die Vermehrung und glücklich zu sterben das Ziel. So einfach ist das! Der Mensch nimmt sich da oft zu wichtig. Ich glaube, dass man sich zuerst selber glücklich und zufrieden machen muss, um dann auch andere glücklich machen zu können.
Ganz offensichtlich gelingt dir das gut.
Mit der Musik zumindest hoffe ich das. Viele Menschen erwarten, dass ihr Partner oder sonstwer sie glücklich macht. Das ist total falsch. Ich glaube, man sollte nicht fordern, sondern zuerst geben, dann kommt es von selber zurück, wie ein Echo. Man muss immer zuerst geben.
Spürst du auf der Bühne, dass etwas zurückkommt?
Ja klar, auf der Bühne sind wir am Werken, nicht am Pläuschlen. Wir geben uns Mühe, dass wir den Song genauso konzentriert hinkriegen, wie wir ihn geübt haben. Wir wollen 110 Prozent geben.
Spielst du denn lieber in grossen Hallen, z. B. im Hallenstadion, oder gern an kleineren Orten?
Weil ich eher ein praktischer Mensch bin, ist das Hallenstadion für mich viel gäbiger, da viel mehr Fans dabei sein können und ich eine grössere Masse erreichen und glücklich machen kann. In kleineren Clubs müsste ich ja zwanzigmal spielen, bis ich so viele Leute bedient habe – und das will ich nicht. Ich gehe ja nicht gerne auf die Bühne. Ich bin lieber in einem Stadion.
Warum?
Das versuche ich seit 20 Jahren herauszufinden. Ich kann mich besser auf einer grossen Bühne konzentrieren, weil es mir so unreal, wie in einem Traum, erscheint. Wenn ich aber jetzt in einer Bar vor 20 Nasen spielen würde, erschiene es mir irgendwie viel wirklicher. Es ist schwierig zu beschreiben.

Wie und wo entstehen deine Songs? Im Studio oder schon vorher?
Meistens sammeln sich diese an. Zwischendurch habe ich Lust zum Gitärrele. Dann nehme ich sie hervor. Manche sind schlecht und manche gut. Wir treffen uns im Studio, dann spiele ich die Songs – und es geht los. Die wissen einfach – eins, zwei, drei – dann müssen sie das können. Das ist eben geil! Dann behält es den Kick. Das ist besser als wenn man ewig darüber diskutiert.
Deine Songs haben eine Frische und wirken echt.
Ich würde sagen, 90 Prozent meiner Songs sind wahrscheinlich wahr. Die kommen aus meinem Leben. Ich kann mich nicht einfach hinsetzen und ein Album schreiben oder Liedli erfinden. Das wäre zu künstlich. Wenn mich aber das Räumli oben ruft, dann ist es meistens auch so weit, dass dann etwas kommt, von selber. Ich habe das extra so beibehalten, damit ich nicht zum Künstler werde.
«Ich habe das Gefühl, meinen Lieblingssong habe ich noch gar nicht geschrieben.»
Siehst du dich nicht als Künstler? Ist das für dich ein negativer Begriff?
Ich halte nicht viel von Künstlern. Die meisten, die ich kennengelernt habe, sind etwas kompliziert. Komische, weltfremde Leute. Es gibt ja den Spruch «Kunst kommt von Können, und wenn man es kann, ist es keine Kunst mehr». Das ist eben das Handwerk, wenn man es kann. Das Handwerk gefällt mir besser als die Kunst. Es gibt auch vieles, bei dem man nicht weiss, was es sein soll. Das finde ich auch lustig – und es gibt auch Leute, die einige Millionen für irgendein Bild ausgeben, für ein paar Farbpinselstriche auf einem Blatt. Das ist mir eigentlich egal. Ich verurteile diese Leute auch nicht, sollen sie machen, was sie möchten. Ist doch schön, wenn das für sie Kunst ist und sie gut davon leben können.
Bist du mehr Handwerker als Künstler?
Stimmt. Was wir machen, ist mehr Handwerk. Meine Jungs hauen nicht einfach so auf die Instrumente und treffen dann zufällig einen Ton. Sie wissen haargenau, was passt.
Worauf dürfen wir uns freuen, wenn du im Dezember im Hallenstadion spielst?
Wie schon bei meinen letzten fünf Konzerten im Hallenstadion werden zum 20-jährigen Jubiläum ganz sicher wieder einige hochkarätige Gäste dabei sein. Über die Jahre habe ich schon mit fast allen bekannten Musikern der Schweiz auf der Bühne oder im Studio zusammengearbeitet. Sogar mit einigen meiner musikalischen «Helden» aus dem Ausland, wie etwa Jimmie Barnes, den Bellamy Brothers oder Peter Maffay, durfte ich Duette oder Alben und Tourneen verwirklichen.
Und worauf freust du dich?
Am meisten auf meine Fans, die jeden Song lauthals mitsingen – wir werden gemeinsam eine Party feiern!