Herbert Grönemeyer

Als Deutschlands erfolgreichster Musiker muss sich Herbert Grönemeyer längst nicht mehr beweisen. Dass er entgegen bösartiger Gerüchte auch gut tanzen kann, zeigte er kürzlich.

Herbert Grönemeyer, Sie gehen wieder auf Tournee und spielen am 10. Juni auch in St. Gallen in der AFG Arena. Macht das eigentlich mehr Spass aufzutreten, als im Studio zu sein?

«Es ist wie Küssen ohne Partner.»

Das Studio ist so eine Bastelarbeit. Da bastelt man vor sich hin und freut sich über die Entstehung von etwas. Die wahre Freude entsteht beim live Spielen. Da sind die Menschen, auf deren Gesichtern etwas passiert, das schlägt dann auf einen selber zurück. Das ist so ein gegenseitiges Gefreue. Im Studio ist es mehr so, wie wenn man vor der Kamera ohne Partner küssen muss. Und in der Halle ist ein Partner da. Da küsst es sich besser. Ich bin auch gerne im Studio, aber wesentlich lieber auf der Bühne.

Spielen Sie lieber in grossen Hallen oder in einem kleinen Club?

Wenn man von der Musikalität ausgeht, bietet der kleine Club mehr musikalische Möglichkeiten, da spielt man differenzierter. Je grösser die Halle oder ein Stadion, desto mehr Kraft wendet man auf. Doch die Technik ist heute viel besser, früher habe ich ja selber nichts gehört.

Verändern sich die Songs auf Tour?

Als wir letztes Jahr im Mai mit der Tour starteten, waren die Songs ja relativ neu. Die Lieder waren frisch, man wusste nicht, wie das mit dem Publikum funktioniert. Wir spielten relativ viel von der neuen Platte, was wir sonst nie machen. Da ist man nervös und weiss nicht, wie die Songs ankommen.

Waren die Reaktionen so, wie erwartet?

Die Songs der neuen Platte sind eher zurückhaltender: «Morgen», «Fang mich an» und auch «Feuerlicht». Man denkt immer, man muss dem Affen Zucker geben, immer Druck machen. Und dann merkt man, dass die Stücke ganz andere Zärtlichkeiten haben. Sie sind zarter, und so geht das Publikum auch mit ihnen um.

Wollen Ihre Fans nicht am liebsten die alten Klassiker hören?

Erst geht man davon aus, dass die das Altbekannte wollen: «Männer», «Alkohol», «Flugzeuge im Bauch», «Mensch». Dann aber stellt man fest, dass die sich sehr gerne auch auf etwas Neues einlassen: Die wollen Frisches. Deshalb mache ich neue Alben, um immer wieder mal was Neues zu kochen.

Stimmt es, dass Sie Ihren Hit «Männer» gar nicht mehr gerne spielen?

Ja, kommt jetzt ja auch nur noch in einem Medley vor. Das Stück war ja noch nie ernst gemeint, mit so Zeilen wie «Männer sind schon als Baby blau». Andere Lieder liegen mir natürlich viel näher. Heute ist das nur noch ein Spass.

Spassig gemeint ist wohl auch der Hoopieshnoopie Remix von «Fang mich an», der letzte Song auf Ihrem letzten Album «Dauernd jetzt»?

Also, dieser Remix ist eigentlich das Original! Ja, den wollte ich so tanzbar. Der Belgier Stromae hat mich dazu inspiriert, den habe ich auch live gesehen – und ich wollte unbedingt so eine Nummer schreiben. Ich mag dieses Elektronische und auch dieses «Dancige». Ich liebe diese Art von Musiker, denn ich bin eigentlich auch Keyboarder. Die Nummer hat so was Verschmitztes und Leichtes.

Grönemeyer goes Dancefloor …

Ja, ich bin da so im Studio rumgehüpft bei der Nummer – meine Band aber fand erst: «Ach Herbert, was soll denn das jetzt schon wieder?» Doch beim Publikum kommt die Nummer gut an, und ich spiele sie auch gerne.

1993 brachten Bela B. und Wiglaf Droste den Song «Grönemeyer kann nicht tanzen» – das widerlegten Sie ja jetzt im Video zu «Fang mich an» und auch live am Echo Award. Kompliment!

Danke – und ja: Ich wollte es allen zeigen! Und habe deshalb richtig viel dafür geübt.

Welche neuen Künstler ausser Stromae gefallen Ihnen sonst noch?

Bilderbuch ist unter den deutschsprachigen derzeit die interessanteste Band. Die machen Funk, ironisch und mit österreichischem Schmäh. Das vermisse ich bei dieser Liedermacherszene und Folkwelle, die jetzt zurückkommt. Da fehlt der Biss, zu viel «Rette mich!», zu viel «Hilf mir!». Die Männer singen viel zu tief. Zu larmoyant! Bilderbuch aber sind frisch!

«Adele kommt nicht an Grönemeyer vorbei» schrieben die Medien, weil sich Ihr Album «12» vor neun Jahren zum Start noch besser verkauft hatte als Adeles «25». Ihr Rekord blieb ungebrochen – macht Sie das stolz?

Gar nicht, vielmehr habe ich grossen Respekt vor Adeles Erfolg. Früher war
es viel einfacher, ein erfolgreiches Album zu machen. Heute gibt es diese Veröffentlichungsflut, da kommt man nur durch, wenn man sehr konzentriert arbeitet. Ich finde Adele übrigens klasse, weil sie sich selber sehr leichtfüssig ihren Weg gebahnt hat. Habe sie auch schon live gesehen.

Mit Ihrem Label Grönland fördern Sie selber die Musik junger Künstler. Mal ehrlich: Haben Sie überhaupt Zeit, sich darum zu kümmern?

Sie fragen, ob ich in dieser Firma nur der Frühstücksdirektor bin? Nun ja, ums Tagesgeschäft kümmere ich mich nicht, dafür sind gute Leute im Einsatz. Ich bin eher dafür zuständig, zu schauen, ob der Geist im Label stimmt. Ich gehe an die Konzerte und spreche mit den Bands. So kriege ich schon sehr genau mit, was da läuft. Und ich finde es wichtig für mich, nicht in einem Tunnel zu sitzen und vor mich hin zu klimpern, sondern Teil einer Szene zu sein, und dass auch um mich herum Musik passiert.

Dieses Interview kam sehr spontan zustande – Sie sind auf Kurzbesuch in der Schweiz. Sind Sie gerne hier?

Ja, ich hatte hier eine glückliche Beziehung und habe eine Zeit lang hier gewohnt. Ich mag die Schweizer sehr gerne. Und freue mich deshalb auch auf das Konzert in St. Gallen.

HERBERT GRÖNEMEYER
10.06.2016, AFG Arena St. Gallen
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