
Schlagfertig, tiefsinnig, gefühlvoll, witzig: Ina Müller (51), das norddeutschte Show-Talent, macht aus zwei Talenten Gold: Ihre Alben sind preisgekrönt, ihre Talk-Sendung «Inas Nacht» auf ARD und NDR ist Kult. Jetzt geht das Nordlicht mit ihrem sechsten, sehr persönlichen Studio-Album «Ich bin die» auf Tour.
Wie bist du an
das neue Album herangegangen? Warst du zum Texteschreiben auf einer einsamen Insel?
Ina Müller: Zum Schreiben gehe ich tatsächlich jeweils auf eine Insel. Zum Inhaltesuchen aber nicht. Die Themen sammle ich übers Jahr. Ich bin zum Texten im Januar nach Fuerteventura geflogen und war dort in einem englischen Hotel.
Entstehen bei deinen Songs erst die Texte oder erst die Melodie?
Immer erst der Text. Melodien schmeiss ich auch gern mal wieder weg, deshalb kommen Melodien erst dann, wenn der Text steht.
In deinem neuen Song «Wenn Du jetzt aufstehst» geht es um das Alter. Ist das ein Thema, das dich nervt?
Mich beschäftigt der Prozess des Älterwerdens. Mit über 50 fühlt es
sich einfach anders an als mit 20. Ich erlebe oft, wenn ich mich mit meinem Freundeskreis treffe, dass sich der Erste hinsetzt und anfängt, Geräusche zu machen – und zack! – bist du beim Thema! «O, hast du es mit dem Rücken?» Mit Gleichaltrigen ist man sofort beim Krankheitsbild. Das war früher anders. Da haben wir noch über unser Sexleben gesprochen und was auf den Partys abgeht.
Du bist eine erfolgreiche Frau im Showbusiness, sehen dich viele jüngere Frauen als Vorbild?
Ja, aber ich antworte Frauen, die mir schreiben: «Hör zu, danke fürs Lob, aber ich tauge nicht als Vorbild.» Das habe ich immer gesagt, denn ich habe zu viele Laster, die man in meinem Alter, auch als Frau, nicht haben sollte. Ich entspreche nicht dem gängigen Frauenmodell und spiele beim «Familie, Kinder, ich esse vegan»-Spiel nicht mit. Ich mache von allem das Gegenteil.
Was machst du lieber, singen oder moderieren?
Ich liebe die Vielfalt. Jetzt, nach der Aufzeichnung der neuen Sendungen, freue ich mich auf’s Singen. Es würde mir viel Druck bereiten, wenn ich nur
für eine Sache brennen würde.
Dein neuer Song «Bei jeder Liebe» handelt vom seriellen Verlieben.
Ich finde, dass das der stärkste Text ist auf dem Album. Wie du mit 18 denkst: «Das ist jetzt die Liebe des Lebens!» Vier Jahre später denkst du wieder: «Der ist es jetzt!», und wiederum vier Jahre später triffst du dann den Vater deiner Kinder. Man muss sich wohl klarmachen, dass es den einen nie geben wird. Klar, es gibt Frauen, die lernen diesen einen kennen, und bleiben dann 50, 60, 70 Jahre verheiratet. Aber das ist nicht die Norm. Die Norm ist, dass man im Leben zehn, elf Mal jemanden kennenlernt, der ein Lebensabschnittspartner sein kann.
Ina Müller als Moderatorin
In ihrer Talk-und-Musik-Late-Night-Show «Inas Nacht» (siehe Bild) präsentiert sie prominente Gäste und Band-Neuentdeckungen. Die Sendung wird seit 2007 vom NDR ausgestrahlt, seit 2009 auch von der ARD. Aufgezeichnet werden die Folgen in der Hamburger Hafenkneipe «Der Schellfischposten». Sowohl die Sendung als auch die Kneipe haben längst Kultstatus.
Der Song beschreibt aber trotzdem sehr schön das Gefühl, dass man immer wieder hofft: Das ist er!
Das hat die Natur so eingerichtet, denke ich. Die Natur schiesst einem dermassen viele Hormone ein, vor allem das Oxytocin, das Kuschelhormon, dass man dann sagt: «Der ist es! Und ich bin so wahnsinnig glücklich!» Ich singe ja im Song «Bei jeder Liebe»: «Und die letzte Liebe wird die schönste, ganz egal, wo ich dann bin, doch das ist, wie ich mich kenne, noch zwei, drei Männer hin.» Das ist mutig, aber: Warum nicht?
Das klingt ziemlich abgeklärt! Gleichzeitig klingen deine Songs aber auch sehr romantisch.
Das finde ich auch schön, romantisch und abgeklärt zu sein, das ist eigentlich eine gute Mischung. Oder sagen wir: Abgeklärt und trotzdem romantisch. Das wäre auch ein guter Albumtitel gewesen.
Im Song «Klammerblues» sagst du: «Die Erinnerung ist das, was mich hier bei dir bleiben lässt.» Kleben wir manchmal zu lange bei jemandem, weil wir die Erinnerung so schön finden?
Ich glaube, dass sehr viele Menschen, die lange zusammenleben, und sich nichts mehr zu sagen haben, zusammenbleiben, weil die finanzielle Situation eine Trennung schwierig macht. Sie haben das Gefühl: «Hier bleiben tut nicht weh, aber es ist schal.» Der Moment, den ich beschreibe, ist eigentlich das Szenario aus dem Film «Die Brücke am Fluss» mit Meryl Streep. Ich habe immer dieses Bild vor Augen, wo der Ehemann mit dem Viehwagen vors Haus fährt, und sie ist eben nicht ihrer grossen Liebe nachgefahren. O Gott!
Glaubst du noch an die Liebe?
Mir wird immer Sarkasmus vorgeworfen, weil ich nie davon ausgehe, dass Menschen sich wirklich lieben. Ich glaube, dass das so sein kann, ich glaube aber, dass nur ein sehr geringer Teil der Menschen, die schon 25 Jahre zusammen sind, sich noch innig lieben. Ich glaube, das ist einfach nicht so oft. Weil der Mensch vielleicht gar nicht dafür gemacht ist.

Ja, möglicherweise!
Ich glaube, die Ehe ist entstanden, in der Zeit, als es noch keine Kühlschränke gab, als man sich noch zusammenrotten musste, als Geschlechtskrankheiten dominierten, und schlaue Menschen haben gewusst: Wenn jetzt nicht sofort immer nur ein Mann mit einer Frau, dann sterben wir aus. Das war der vollkommene Erhaltungstrieb. Aber jetzt brauchen wir die Ehe nicht mehr. Und dieses: Ich liebe dich bis ans Lebensende, das kann man doch gar nicht sagen.
Aber es gibt doch Ausnahmen. Manche schaffen das, bis ans Lebensende.
Ja, es gibt ja auch Albinohunde – die sind selten, aber es gibt sie.
Du bist mit dem Musiker Johannes Oerding liiert, ihr lebt aber nicht zusammen?
Genau.
Ist die Ehe kein Thema für euch?
Nee. Es ist für uns beide kein Thema. Ich gehe heute nicht mehr so weit wie früher, wo ich gesagt habe: Jeder in seiner eigenen Stadt. Heute sage ich: Gleiche Stadt ist gut, aber jeder in seiner eigenen Wohnung.
Im Song «Wie Du wohl wärst» überlegst du, wie es wohl gewesen wäre, ein Kind zu haben. Es klingt versöhnlich.
Ja, das war mir auch sehr wichtig. Ich finde, es hat nicht diesen Betroffenheits-Charme. Es ist auch keine Verbitterung drin. Ich habe nur ein Lied aus diesem Moment gemacht, den jede Frau in meinem Alter kennt – wo man sich zwischendurch mal denkt, obwohl klar ist, dass man jetzt keine Kinder mehr haben möchte, wie wärs wohl, wenn ich ein Kind hätte – wie sähe es aus, wäre es gross, klein, wäre es leise oder laut, hätte es blaue Augen? Aber
ich sage ja: Alles ist gut so, wie es ist. Ich habe mich einfach für die Karriere entschieden.
Planst du nach deiner Tour 2017 mal wieder ein plattdeutsches Album?
Lustig, dass du mich das fragst, Nina. Ich habe darüber tatsächlich schon nachgedacht. Aber vielleicht gehe ich doch erst mal zum Detoxen in die Ukraine.