James Blunt
James Blunt kommt im Süden Englands zur Welt. Als Kind erhält er Klavierunterricht. Mit 14 kriegt er eine ­Gitarre in die Hände und will ­fortan Musiker ­werden.

James Blunt (43) schlägt ungewohnte Töne an: auf dem neuen Album und im Interview. Der Brite über Techno-Clubs, Verbier und seinen Job bei der Leibgarde der Queen.

James Blunt, haben Sie manchmal Angst, man könnte Sie zu ernst nehmen?
James Blunt: Eigentlich nicht, warum?

Weil Sie auf Twitter zum Spass Dinge an Ihre Follower schreiben wie: «Wenn ihr dachtet, 2016 war schlimm – 2017 bringe ich ein Album heraus.»
Die Fans verstehen meine Ironie. Nur meine PR-Leute sind manchmal etwas nervös. Sie müssen sich wie die Berater einer sehr berühmten Person fühlen, deren Namen ich jetzt nicht nennen will, die auch sehr oft und unkontrolliert twittert.

Alles klar. Was Ihr neues Album «The Afterlove» betrifft: Es ist nicht wie angekündigt schlimm, aber gewöhnungsbedürftig.
Wie meinen Sie das?

Bisher standen Sie für verschmusten Singer-Songwriter-Pop. Den haben Sie jetzt elektronisch aufgepeppt inklusive computerveränderter Stimme und Elektrobeats.
Für mich fühlt sich das nicht wie ein Stilbruch an, denn ich höre privat sehr gerne Dancemusic. Ich liebe es, in den Technoclubs auf Ibiza, wo ich wohne, zu feiern. Auch meine Freunde mögen die neuen Songs. Sie sagen: «Endlich müssen wir dich nicht mehr anlügen.»

Auch das Video zum Song «Love Me Better» spielt in einem Club. Sie feiern aber nicht, sondern sitzen in einer Ecke und schauen den anderen beim Tanzen zu. Ist das etwas, was Sie aus Ihrem eigenen Leben kennen?
Ich war sechs Jahre beim Militär und habe als Aufklärungsoffizier genau das gemacht: beobachtet. Im Video bin ich aber eher gleichgültig. Im dazugehörenden Song singe ich davon, genug oberflächliche Nächte hinter mir zu haben und jetzt etwas für die Ewigkeit zu suchen.

Offenbar sind Sie fündig geworden. Sie haben vor zwei Jahren die Adlige Sofia Wellesley geheiratet, Enkelin des 8. Duke of Wellington. Und Sie sind Vater eines Sohnes geworden.
Solche Dinge sind lebensverändernd. Ich wahre aber gerne meine Privatsphäre. Nicht umsonst besitze ich ein Haus in der Schweiz, genauer in Verbier.

Dort sind Sie eine Dorf-Berühmtheit. Man hat sogar einen Skilift nach Ihnen benannt.
Verrückt, was? Ich kenne Verbier schon sehr lange. Ich hatte das Glück, dass mich die Armee vier Saisons zum Skifahren dorthin geschickt hat. Am besten war ich übrigens in der Disziplin Super-G.

Ihr Geschwindigkeitsrekord?
Das Höchste, was gemessen wurde, waren 130 Kilometer pro Stunde. Ich glaube jedoch, die Maschine war kaputt. Ich war bestimmt schneller (lacht).

Sie besitzen in Verbier das Pisten-Restaurant La Vache. Kürzlich sind Sie dort mit dem Singer-Songwriter Ed Sheeran einmarschiert. Er hat auf Ihrem neuen Album mitgewirkt.
Tagsüber war ich sein Skilehrer, nachts haben wir zusammen Songs geschrieben.

Gerade haben Sie in einem Interview gesagt, er erfinde Geschichten. Er hatte behauptet, Sie seien indirekt schuld an einer Narbe, die er sich an einer Party zugezogen hat.
Ach, das war doch alles nicht ernst gemeint. Wir sind immer noch gute Freunde.

Sheeran ist im Moment der erfolgreichste britische Popkünstler. Er macht ähnliche Musik wie Sie und hat auch ein neues Album am Start. Wie klug ist es, mit Ihrem grössten Konkurrenten zu kollaborieren?
Sehr klug, denn im Musikgeschäft arbeitet man ja immer mit Leuten zusammen, die einen weiterbringen. Es ist kein Boxring, wo man gegeneinander kämpft und am Schluss nur einer stehen bleibt. Es hat Platz für viele. Ed und ich werden beide von Elton Johns Firma gemanagt. Er war es auch, der uns einander vorgestellt hat.

James Blunt (43) will den Anschluss an junge Hörer nicht verlieren. Auf dem fünften Album wirkte neben Ed Sheeran auch ­Stephan Moccio mit, verantwortlich für Hits von Miley Cyrus und The Weeknd. Entstanden ist ein ­wildes Potpourri, dem oft die Handschrift fehlt: «Don’t Give Me Those Eyes» klingt nach ­Elton John, «California» könnte Rihanna singen. Erst gegen Ende des Albums dann die akustischen Songs mit dem nasalen Gesang, für die Blunt bekannt ist. Sie stehen ihm nach wie vor am besten.

Als Sie vor zwölf Jahren durchstarteten, waren Sie einer der wenigen Singer-Songwriter im Mainstream-Pop.
Ja, das stimmt.

Heute wimmelt es dort nur so von Gitarre spielenden Männern, die sich von ihrer gefühlvollen Seite zeigen, zum Beispiel Hozier, James Bay, Jack Garratt. Fühlen Sie sich als Vaterfigur dieser Szene?
Wenn mir Ed Sheeran erzählt, dass er mit 14 an eines meiner Konzerte kam, dann schon. Aber sonst nicht. Vaterfiguren dieser Szene sind wohl eher Musiker wie David Gray oder Damien Rice, die auch mich beeinflusst haben.

Das Magazin «Rolling Stone» wählte «You’re Beautiful» auf Platz sieben der nervigsten Songs aller Zeiten. Gleich hinter «Mambo No. 5» von Lou Bega. Wie gerne spielen Sie den Song noch?
Es ist mein grösster Hit. Wenn ich ihn am Ende eines Konzerts nicht spiele, enthalte ich dem Publikum etwas vor. Auch für mich ist es ein freudiger Moment, denn er bedeutet, dass ich gleich ein Bier trinken gehen kann.

Sie haben mit einem Stipendium der Elite-Universität Bristol Soziologie studiert. Als Gegenleistung mussten Sie nach dem Abschluss mindestens vier Jahre lang dienen. Fanden Sie das nicht mühsam?
Im Gegenteil, ich habe es sehr gerne gemacht und noch zwei Jahre angehängt.

Sie waren für die Nato während des Krieges in Kosovo stationiert. Schon damals haben Sie für die Truppen ab und zu ein Ständchen gesungen.
Ich musste sehr genau darauf achten, welchen Song ich in dieser entmutigenden Umgebung auswähle, in der sich Menschen gegenseitig umbrachten.

Mussten Sie töten?
Es fühlt sich komisch an, in einem zivilen Umfeld über solche Dinge zu sprechen. Man sollte einen Soldaten lieber fragen, wie viele Menschenleben er gerettet hat. Im Kosovo waren es Tausende.

Würden Sie Ihrem Sohn eine Militärkarriere ans Herz legen?
Ich würde ihm jedenfalls nicht davon abraten. Die Armee war meine Lebensschule. Ich bin privilegiert aufgewachsen und stamme aus einem sicheren Land. Dank der Armee hatte ich Kontakt zu Menschen mit den unterschiedlichsten sozialen Hintergründen.

Zu guter Letzt waren Sie auch noch Mitglied der königlichen Leibgarde. Sind Sie mit einem dieser putzigen Fell-Hüte vor dem Buckingham Palace herumstolziert?
Nein, ich sass auf einem Pferd. Ich war bei den Horse Guards. Das sind die mit den Pickelhauben, an denen eine Art Schweif aus weissem Pferdehaar befestigt ist. Dazu trug ich eine Rüstung. Es war ein wahnsinniges Erlebnis.

Durften Sie diesen Helm behalten?
Leider nicht.

JAMES BLUNT – THE AFTERLOVE TOUR
Mi 8. November 2017, Arena de Genève Genf
Do 9. November 2017, Hallenstadion Zürich
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Dieser Artikel wurde ursprünglich im Sonntagsblick publiziert.