Fünf lange Jahre hat man von Züri West nichts mehr gehört. Sänger Kuno Lauener erklärt die lange Kreativpause, warum das Album «Love» heisst und warum er keine Rampensau und jeder Auftritt der blanke Horror ist.
Er trinkt Mineralwasser zum Interview im Restaurant Gleis 9 in Zürich-Oerlikon. Wenn es streng wird, dann macht Kuno Lauener (56) Ramadan. Sprich, er verzichtet für längere Zeit auf Alkohol. In Bluejeans gekleidet, das Hemd drei Knöpfe offen. Keck. Auf dem Tisch seine Piloten-Ray-Ban, kein Handy. Dafür hat er viel Liebe im Gepäck, sein neustes Werk trägt den verheissungsvollen Titel «Love».

Lauener: «Das war zuerst als Untertitel gedacht. Wir haben gemerkt, dass auf dem Album alles gescheiterte Beziehungsgeschichten sind. ‹Love› hat irgendwie gepasst.»
Fünf Jahre haben sich die «Bärner Giele» für ihr neues Baby Zeit gelassen, im schnelllebigen Musikbusiness eine Ewigkeit. Züri West haben strube Zeiten hinter sich, Kuno ist inzwischen zweifacher Papi. Und die Band tritt in neuer Formation auf. Tom Etter (Gitarre) und Jürg Schmidhauser (Bass) sind nicht mehr dabei, Manuel Häfliger (Gitarre) und Wolfgang Zwiauer (Bass) dafür dazugekommen. «Sie haben eine neue Dynamik reingebracht», erzählt Kuno über den Teamwechsel und doppelt nach: «Manuel ist ein wilder Sologitarrist.
Es fühlt sich gut an, neben all den Balladen auch wieder rockigere Sachen zu machen. Wolfgang ist ein super Musiker, er hat viel Eleganz in die Songs gezaubert», schwärmt Kuno. Zwölf neue Stücke hat das neue Team auf «Love» komponiert – von melancholisch-poetisch («Schatteboxe») bis poppig-groovig («Schachtar gäge Gent»).
Warum hat es fünf Jahre seit «Göteborg» gedauert bis zum neuen Wurf? Ganz einfach, Kunos Leben hat sich seit der Geburt seiner Kinder (heute fünf und drei Jahre alt) um 180 Grad verändert: «Die ersten zwei Jahre der Pause standen wirklich nicht im Zeichen der Musik.» Die restlichen drei Jahre haben Züri West für die Fertigstellung des Albums gebraucht. Eine Zeit, die an den Nerven zehrte. In der Schweiz ist ein Künstlerleben kein Zuckerschlecken. Im Gegenteil: «Seit ich Musik mache, habe ich mich von jeglichem Sicherheitsdenken verabschiedet. Man hat manchmal schon schlaflose Nächte, wenn man denkt, dass man selbständig ist», erzählt Lauener. Zum Glück habe seine Partnerin einen soliden Job, das beruhige. Jammern oder miesepetrig sein will er nicht, zu sehr ist er mit Leib und Seele Singer-Songwriter.
Bei Auftritten kribbelt es überall
Der Promotag für «Love» ist bald durch. Das Chrampfen geht weiter. Züri West spielen an vielen kleinen und grossen Festivals. Und noch sitzen die Songs nicht. «Ich bin keine prädestinierte Rampensau, die auf die Bühne steigt, ‹Fuck you› schreit und Gas gibt», sagt Kuno. Er müsse sich immer einen Mupf geben, wenn er als introvertierter Geschichtenschreiber mit seinem Lampenfieber kämpft.
Momentan kribbelt es im ganzen Körper, wenn er an die vielen Gigs denkt. Mehr als ein Kribbeln, es sei der blanke Horror. Züri West müssen die neuen Lieder noch einüben, die Zeit drängt. Danach ein Repertoire zusammenstellen, welches live zündet. «Ich bin im Modus ‹leicht vibrierend bis nervös›!»
Sein Bühnenziel: Sattelfest sein und Nonchalance ausstrahlen. Der Countdown läuft, der erste Auftritt ist am 4. Mai. Kuno macht sich auf. Auf zu Freundin, Kindern und Herd. Heute kocht er. Als halb Mami und halb Papi – wie er sich selbst bezeichnet – schwingt er oft den Kochlöffel. Gleich danach kommen Bandproben. Immer wieder. Auch die Kids sollen mal Papis Musik hören. «Sie sind harte Kritiker. Egal, ob Musik oder Frisur, sie registrieren alles. Ich bin sehr gespannt», sagt der Neu-Papa. So oder so, für die kleinen und grossen Fans gibt es viel Liebe bzw. «Love», voll auf die Ohren.