Er war einmal der grösste Cantautore Italiens. Nun kehrt Edoardo Bennato 70-jährig zurück ins Rampenlicht: mit alten Hits und viel Italianità.
Es war in den 1980er-Jahren, plötzlich war Italien cool. Die Sprache, der Fussball, das Essen, Design und Künstler auch. Die Sympathiewelle schwemmte damals unter anderen Cantautore Edoardo Bennato in die grössten Stadien Europas. Der mittlerweile 70-jährige scharte spielend 80’000 Fans um sich, füllte auch zu Hause als erster Musiker überhaupt das Mailänder San-Siro-Stadion – mit Akustikgitarre, Mundharmonika und seiner typischen Näselstimme. Noch immer steht der Mann im Geschäft. Seine Karriere ist wie eine Reise durch Italien.
Neapel: Heimat ist ein wichtiges Thema des Sängers. Dabei denkt er vor allem an das Arbeiterviertel Bagnoli an der Peripherie Napolis, wo er auf die Welt kam. In seinen Songs kommt er immer wieder darauf zu reden. Und damit auch auf Mamma. In seinem Sommerhit von 1989 «Viva la mamma» singt er ihr eine Liebeserklärung – mit dem Duft von Pizza und Cappuccino, hochprozentige Italianità.
https://www.youtube.com/watch?v=LdL4Q9bq_p4
Mailand: Zwischen Süd- und Norditalien liegen Welten – Edoardo wagt den Sprung trotzdem. In Mailand studiert er Architektur, daran erinnert später das LP-Cover «Io che non sono l’imperatore»: Es zeigt eine seiner Studien. Mailand wird auch zum Sprungbrett ins Musikgeschäft. 1973 nimmt Dischi Ricordi, das Sammelbecken italienischer Liedermacher, den poetischen Rebellen unter Vertrag. Sein Debütalbum startet durch – und mit ihm Bennato. Er wird zum grössten Cantautore Italiens.
Rom: Erinnern Sie sich an die Fussball-WM in Rom, an deren Hymne «Un’estate italiana», gesungen von Bennato und Gianna Nannini? Die beiden präsentierten den Song am 9. Dezember 1989 an der Auslosung der Gruppenspiele in Rom. Rund 500 Millionen Menschen schauten vor den Fernsehern zu. Nannini hasste das Lied, Bennato nutzte die Gunst der Stunde, um seine Anliegen weltbekannt zu machen: den Kampf für Individualismus und fantastische Welten.
Sardinien: Ob er wohl an Italiens sommerlichen Fluchtort gedacht hat, als er sich «L’isola che non c’è» einfallen liess? Schon nach den ersten Gitarrenklängen geht die Sonne auf, nach der ersten Textzeile packt einen das Fernweh. So klingt der Sound des Südens.
https://www.youtube.com/watch?v=5KLKzah9D_A
Santa Maria di Leuca: Heute liegt der Sänger künstlerisch so im Off wie die Gemeinde am südlichsten Punkt Apuliens. Seit den 1990er-Jahren versucht er mit Allerwelts-Pop an alte Tagen anzuknüpfen. Vergebens. Die alten Hits aber strahlen weiter – wie der Leuchtturm von Santa Maria di Leuca.
Dieser Artikel wurde ursprünglich im SonntagsBlick-Magazin publiziert.