Was für eine Grande Dame! Nana Mouskouri blickt auf eine über 50-jährige Karriere zurück. Vieles hat sie erlebt, vieles gesehen. Nur Madonna hat mehr Platten verkauft als sie. Und trotz ihrem Alter von 83 Jahren denkt sie keine Minute an den Ruhestand.

Mit «Weisse Rosen aus Athen» gelang ihr der Durchbruch im deutschsprachigen Raum, vor über fünfzig Jahren zog sie an den Genfersee. Die Griechin Nana Mouskouri ist der Schweiz sehr verbunden und schaffte es, verschiedenste Musikmärkte zu beherrschen, und das, indem sie Platten in den verschiedensten Sprachen aufnahm. Noch heute werden Kleinkinder mit dem Mouskouri-Hit «Guten Morgen Sonnenschein» geweckt. 134 Alben nahm sie auf, und über 300 Millionen Tonträger kann sie verzeichnen – damit ist sie die zweiterfolgreichste Sängerin der Welt, gleich nach Madonna. Trotz all diesem Ruhm bleibt die 83-Jährige bescheiden. Am Genfersee, in Lausanne, treffen wir kurz vor Weihnachten 2017 eine bodenständige Dame, die viele interessante Geschichten zu erzählen hat. Kein Wunder: In ihrer über 50-jährigen Karriere hat sie vieles erlebt und viele Leute kennengelernt. Wir sprechen mit Nana Mouskouri über ihre kommende «Forever Young»-Tour und auch über ihre Zeit im Europa-Parlament. Und sie erklärt uns, warum der Ruhestand nichts für sie ist, wieso sie dem Eurovision Song Contest viel zu verdanken hat und warum ihre Brosche – eine rote Schleife – ihr so viel bedeutet.
Frau Mouskouri, Sie sprechen unglaublich viele Sprachen.
Nana Mouskouri: Ja, die erste, die ich damals in Griechenland lernte, war Englisch. Mein Vater arbeitete in einem Kino, und als die ersten Filme mit Ton herauskamen, mussten wir die Tonspur separat unter den Film legen. So haben wir den Text mitgelesen und mitgehört und geschaut, dass alles synchron ist. Und nebenbei lernte ich die Sprache.
Wann kam Deutsch?
Deutsch habe ich noch vor Französisch gelernt. Deutschland war schliesslich das erste Land neben Griechenland, in dem ich Erfolg hatte.
Haben Sie verstanden, was Sie bei «Weisse Rosen aus Athen» singen?
Klar, es ist ein griechisches Lied, das wir für einen griechischen Dokumentarfilm übersetzt haben. Deutsch hatte ich auch immer nebenbei gehört, im Kino hatten wir deutsche Filme, und meine Mutter hörte oft Zarah Leander, ich war Fan von Marlene Dietrich.
Ihre Tournee nächstes Jahr heisst «Forever Young». Wie jung fühlen Sie sich?
Das ist lustig, die Leute glauben immer, dass ich den Titel auf mich beziehe. Dabei ist die Geschichte anders. Aber generell: Es geht nicht um das Alter als Zahl, sondern wie jung man im Herzen ist. Jung sein heisst, dass man gerne lernt und enthusiastisch ist. Obwohl ich in vielen Dingen professionell bin, werde ich auch gerne als Amateurin behandelt, um neue Dinge zu lernen. Es gibt nämlich immer etwas Neues zu lernen. Darum habe ich auch immer neue Musikstile einfliessen lassen. Und meine Songs in den verschiedensten Sprachen und Dialekten gesungen. Ich lasse mich nicht gerne in eine Schublade stecken.
«Amy Winehouse hat mich sehr beeindruckt.»
Woher kommt denn der Titel «Forever Young»?
Von Bob Dylan. Ich habe schon viele Lieder von ihm gesungen. Bei der Vorbereitung zur «Happy Birthday Tour» vor drei Jahren, zu meinem 80. Geburtstag, habe ich auch nach Liedern von anderen Künstlern gesucht, das zeigt dem Publikum immer eine andere Seite von mir. Damals war es «Forever Young» von Bob Dylan und «Love Is A Losing Game» von Amy Winehouse. Amy hat mich sehr beeindruckt.
Und jetzt kommt der Song von Bob Dylan auch bei dieser Tournee vor.
Genau. «Forever Young» ist auch der Titel meines neuen Albums. Darauf singe ich viele bekannte Lieder von anderen Künstlern, die ich noch nie gesungen habe. Auch von Adele, Elvis Presley, den Beatles und Whitney Houston. Es sind unvergessliche Songs, Lieder, die «forever young», also für immer jung, sein werden.

Sie haben 2008 Ihre Abschiedstournee abgeschlossen und gehen immer noch auf Tour. Sie kriegen nie genug von der Bühne!
Das stimmt. Mein grosses Vorbild Marlene Dietrich war 73 Jahre alt, als sie mit Konzerten aufhörte. Also dachte ich, das ist ein gutes Alter, um aufzuhören. Ich dachte, ich könnte mein Leben nach meinem letzten Konzert in Athen gut gestalten, aber irgendwie ging das nicht. Mir war total langweilig, ich wusste nicht mehr, wo ich war, ich war verzweifelt. Mein Publikum war schon immer mein Leben, es wärmte und stärkte mich. Und plötzlich, nach meinem letzten Auftritt, fühlte ich mich allein und wertlos.
Und nach drei Jahren kamen Sie zurück.
Ich suchte nach einem guten Grund, sonst hätten einige ja gelacht, weil ich mein Wort nicht gehalten habe. Der erste war der 50. Geburtstag von «Weisse Rosen aus Athen» im Jahr 2011, der zweite mein achtzigster Geburtstag im Jahr 2013.
Sie werden sich nie zur Ruhe setzen.
Ich glaube, sich zur Ruhe setzen ist wie von der Welt gehen. Man lernt nicht mehr, wenn man nichts mehr zu tun hat. Ich werde, solange ich es kann, auf der Bühne bleiben, sie war immer mein Zuhause.
«Ich litt anfangs sehr unter meiner Brille. Alle wollten, dass ich sie abnehme.»
Ohne Ihre Brille hätten Sie wohl nie so einen Eindruck hinterlassen.
Als ich als Elfjährige meine Brille bekam, lachten mich alle aus. Und ich habe entschieden, dass ich sie genau deswegen immer tragen werde. Bei Fernseh- und Fototerminen haben aber dann immer alle gesagt, dass es ein Problem sei, weil sich das Licht darin spiegelt. Und heute sind Brillen Trend. Ich finde es toll, alle jungen Menschen zu sehen, die Brillen mit Stolz tragen. Am Anfang waren das nur Elton John, Michel Polnareff und ich, die öffentlich Brillen trugen.
1963 nahmen Sie für Luxemburg am Eurovision Song Contest teil.
Ich schaue gerne auf diesen Auftritt zurück, er hat mir viele Türen geöffnet, obwohl ich nur den achten Platz erreichte. Harry Belafonte sah meinen Auftritt und fragte nachher Quincy Jones, mit dem ich schon zusammengearbeitet hatte, wer ich denn sei. Belafonte half mir, Fuss in Nordamerika zu fassen. Zudem hatte die damalige Produzentin des Song Contest mein Repertoire durchgehört und bot mir eine Sendung in der BBC an, in der ich meine eigenen Songs sang und andere Musiker zum Musizieren einlud.

Klingt ein bisschen wie die «Helene Fischer Show».
Genau, eigentlich wie das, nur auf Englisch. Die Show brachte mir zusätzliche Aufmerksamkeit in Australien und Asien, da sie dort auch ausgestrahlt wurde. Ich konnte es kaum fassen, als mich am Flughafen von Singapur jemand erkannte.
Von 1994 bis 1999 sassen Sie als Abgeordnete im Europaparlament, allerdings nur für eine Amtszeit.
Das war ein Abenteuer, das ich nie suchte. Aber es war toll, ich habe viel gelernt und viele Freunde gefunden. Trotzdem hätte ich das nicht länger als eine Amtszeit machen können, sonst hätte ich mit dem Singen herunterfahren müssen. Ich glaube, ich habe dort einen guten Job gemacht. Nichtsdestotrotz wollte ich Sängerin bleiben.
In einem Interview sagten Sie, dass sich dort vieles nur um Machterhalt und Parteiengehabe drehte. Sind Sie enttäuscht von der Politik?
Politiker haben dort eine grosse Verantwortung, egal in welchem Land sie sind. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass die Länder mehr zusammenarbeiten und bei Konflikten Kompromisse finden. Ich glaube an Europa und bin eine grosse Unterstützerin der Europäischen Gemeinschaft.
Sollte die Schweiz Ihrer Meinung nach auch ein Teil der EU werden?
Es liegt nicht an mir, das zu entscheiden. Jeder soll das Recht haben beizutreten. Ich mag die Schweiz für das, was sie ist. Die Einwohner haben es gut. Die anderen Länder hatten Probleme oder waren im Krieg, deshalb ist es wohl wichtiger, die Situation der Schweiz zu wahren.
Wie beobachten Sie die Lage Griechenlands?
Aktuell ist es schwierig, auch wegen der vielen Flüchtlinge. Die Griechen kämpfen, wie viele andere Länder auch, mit dieser Situation. Ich bin eine Optimistin und denke, dass wir eine Lösung dafür finden. Griechenland ist ein wundervolles Land, wir haben eine grossartige Geschichte und sollen nicht leiden.
Sie verzichteten wegen der Finanzkrise auf Ihre Rente vom Europaparlament und gaben das Geld weiter an den griechischen Staat. Unterstützen Sie Griechenland noch heute?
Ja, wo ich kann. Ich habe Flüchtlinge unterstützt, allerdings nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen Ländern. Ich unterstütze viele NGOs, unter anderen das Rote Kreuz, die sich mit dem Thema beschäftigen. Es ist ein Teil meines Lebens, auch zu helfen. Vor allem meine Zusammenarbeit mit Unicef hat mir geholfen, diese Sachverhalte zu verstehen und zu helfen.
Griechenland und Deutschland hatten ja vor allem während der Finanzkrise eine angespannte Beziehung – zwei wichtige Länder für Sie. Wie haben Sie die Situation verfolgt?
Ich mag es nicht, wenn meine Heimat in Konflikt mit einem anderen Land steht. Deutschland ist ein Land, das vielen hilft, und in Griechenland war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Probleme, die wir haben, auf uns zukommen. Ich hoffe aus ganzem Herzen, dass sich die Beziehung zwischen den beiden Ländern wieder beruhigt.
Was denken Sie über die Musik, die heute in der Hitparade ist?
Gute Musik gab es schon immer und wird es auch immer geben. Heutzutage gibt es aber Songs, die für mich auf die Schnelle schwieriger zu verstehen sind. Ich höre mich langsam in neue Musik ein und kenne nicht viele Künstler. Stromae halte ich für einen aussergewöhnlichen Künstler, er ist so talentiert und besitzt ein breites Spektrum. «Papaoutai» war der erste Song, den ich von ihm gehört hatte.
«Forever Young» wird Ihr 134. Album. Kennen Sie überhaupt noch alle Lieder, die Sie aufgenommen haben?
Nein, überhaupt nicht! Aber ich weiss, dass ich so viele Songs aufgenommen habe. Ich habe viele Alben in verschiedenen Sprachen aufgenommen und musste viele verschiedene Märkte bedienen. Deshalb habe ich manchmal zwei bis drei Alben pro Jahr aufgenommen. Dadurch hatte ich auch viel Abwechslung, weil sich viele Songs nicht wiederholten. Es gibt viele Lieder, die ich nur in einer Sprache aufgenommen habe.
Sie tragen gerade eine rote Schleife. Warum?
Natürlich geht es dabei um den Kampf gegen Aids, das ist auch ein Thema für mich als Unicef-Botschafterin. Aber diese Brosche gehört einem jungen Mann, der mit seinem Freund in Dänemark an mein Konzert kam und meine Songs eigentlich gar nicht mochte. Der Freund des jungen Mannes organisierte aber, dass ich bei einem Konzert den dänischen Song «Lille Ole» gesungen habe. Später schickte er mir diese Brosche mit der Nachricht, dass er in der letzten Zeit meine Musik gern bekam. Leider verstarb der junge Mann vor kurzem, deshalb hat diese Brosche für mich zwei Bedeutungen.
Eine traurige, aber zugleich schöne Geschichte. Werden Sie in der Deutschschweiz ein schweizerdeutsches Lied singen?
Das ist witzig, eigentlich mache ich das überall, aber auf Schweizerdeutsch habe ich noch nie gesungen! Wenn Sie ein Lied wissen, welches passt, lassen Sie es mich wissen.
Was ist der Schlüssel zum Erfolg in der Musikindustrie?
Ich glaube nicht, dass den jemand kennt. Das Wichtigste ist, dass man daran glaubt, was man macht, und seine Arbeit glaubhaft vorträgt.
NANA MOUSKOURI «FOREVER YOUNG»
Mo 12.3.18, KKL Luzern
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