18 Jahre nach ihren Anfängen in der Bieler Altstadt erfinden sich Pegasus neu – und präsentieren ihre Hits mit akustischen Arrangements. Jetzt auf ihrem neuen Album «Unplugged» – und im Mai bei einem Konzert im Zürcher Hallenstadion. Ein Gespräch mit Bandleader Noah Veraguth.

event.: Noah, wie hat euch die Corona-Zeit erwischt, musstet ihr viele Konzerte absagen?
Noah Veraguth:
Wir wurden zum Glück nicht von hundert auf null heruntergebremst, denn wir hatten unsere Auftritte in den letzten Jahren ohnehin etwas reduziert. Zuvor, in den acht Jahren bis 2019, waren wir nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa und auch in Asien unterwegs. Und dennoch betrifft diese Krise natürlich auch uns als Band direkt. Aber für viele Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, ist die Situation härter. Denn es geht in der Branche vor allem um die Liebe zur Sache, zur Musik, zum Event, zum Publikum. Die meisten haben keine grossen Reserven aufgebaut, leben von Auftritt zu Auftritt.

Mit dem Hallenstadion-Konzert wagt ihr nun einen Schritt nach vorn.
Ja, wir müssen ja weitermachen können und unseren Job ausüben. Das ist natürlich schon ein Statement. Doch die Sicherheit muss gewährleistet sein. Wir wollen, dass die Leute sicher und gesund bleiben, das ist die Hauptsache.

ALBUM «UNPLUGGED» DIREKT AUF PLATZ 1

Erst am 15. Januar erschienen, erklomm das Pegasus-Album «Unplugged» auf Anhieb Platz 1 der Schweizer Charts. Die Band nennt es ihre «musikalische Autobiografie»: Als akustische Versionen komplett neu arrangiert und ganz ohne voluminöse Studioklänge, sind darauf alle ihre Hits zu hören, wie «Metropolitans», «I Take It All» und «Skyline». Neben den beiden neuen Singles «Victoria Line» mit Anna Rossinelli und «Better Man» ist auch ein weiterer neuer Song dabei.

Vor zwei Wochen ist euer «Unplugged»-Album erschienen. Ist dieses aus der Corona-Situation heraus entstanden?
Die Idee für ein Unplugged-Album hatten wir schon vorher. Ursprünglich wollten wir es anders umsetzen, auch mit Aufnahmen an Live-Konzerten. Jetzt haben wir es komplett im Studio fertiggestellt. Und so wird man uns im Hallenstadion zum ersten Mal auf diese Art live hören.

Man wird euch also auf eine neue Weise kennenlernen?
Ich glaube, bisher wurden wir als Band wahrgenommen, die sehr ausproduzierte Popsongs auf elektronischer Basis produziert. Was viele nicht wissen: In unseren Anfängen waren wir eine sehr folkige Band. Wir spielten damals einfach in den Beizen der Bieler Altstadt, sind mit dem Hut rumgegangen und mit Kontrabass, zwei Gitarren und einem Tamburin. So haben wir unsere Wochenenden verbracht. Jetzt ist auch unser Gitarrist Simon Spahr wieder mit dabei. Das ist der Moment für uns, um zusammenzufassen, was wir all die Jahre gemacht haben. Wir wollten etwas machen, das ein bisschen ausgereifter, erwachsener und ausdetaillierter ist. Unsere bekanntesten Songs in diesem neuen Kleid und neu arrangiert zu präsentieren, ist für uns der richtige Schritt.

War das Unplugged-Vorhaben ein Grund oder ein Argument für Simons Rückkehr?
Angefangen hatten wir das schon ohne ihn. Der Grund war mehr, dass es uns allen gefehlt hat, gemeinsam Musik zu machen. Und es passt natürlich bestens, weil unser neuer Sound
sehr gitarrenlastig ist.

Ihr spielt jetzt also unplugged, ungefiltert, akustisch. Wie ist das für euch?
Das bringt uns wieder viel näher zusammen. Denn eigentlich sind wir eine sehr organische Band. Wir sind über die Jahre immer grösser geworden mit unseren Produktionen. Und wir hatten uns in den letzten Jahren vielleicht etwas überspielt. Wir wollten wieder etwas machen, das ganz klein ist, ganz intim. Ganz nah. Dass man das Gefühl hat, dass wir wirklich beim Zuschauer im Raum sind und ihm etwas vorspielen. Das Album spiegelt unser gesamtes Werk wider, auf eine sehr persönliche und intime Art. Es ist ganz fein gespielt, man hört die Finessen jedes Instruments. Es gibt einem das Gefühl, dass man mit der Band in einem Raum ist.

Werdet ihr diese Intimität auch im Hallenstadion herstellen können, in der grössten Konzerthalle der Schweiz, vor 4500 Leuten? Ist das nicht ein Widerspruch?
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Projekte: So ist das Hallenstadion in der Pandemie-Zeit der ideale Ort für ein Unplugged-Konzert: Man muss ein Schutzkonzept haben und Abstand halten. Im Hallenstadion haben wir dafür genug Platz. Beim Unplugged-Konzert sitzt man ja, hört zu und bewegt sich nicht gross. Es ist eher musikaffin, eher ein Zuhören als ein Mitmachen.

Dennoch, sind im Hallenstadion die Dimensionen und die Distanz zwischen Bühne und Publikum nicht einfach zu gross?
Nein, das wird nicht einfach klein sein wie in einem Bistro. Wir werden zwar akustisch, aber in einer ausgeweiteten Formation spielen. In Dimensionen, wie man das bei einem Hallenstadion Konzert erwartet. Mit sechs oder sieben zusätzlichen Musikern, Streichern und Bläsern. Und wir haben ein breit angelegtes visuelles Konzept. Wer in einer so grossen Halle sitzt, will auch visuell etwas geboten bekommen. Die Bühne wird in der Mitte des Raums stehen, das wird ein spezieller Abend werden.

Sind weitere Überraschungen geplant? Special Guests?
Kann ich jetzt natürlich nicht verraten. Aber klar, lasst euch überraschen!

Ihr wart in den letzten Jahren recht international unterwegs, du hast in London und in Berlin gelebt. Was zieht euch trotzdem in die Schweiz zurück – ist das Ausland nicht interessanter und im Musikbereich auch professioneller?
Die Schweizer Musikbranche ist überhaupt nicht weniger professionell als die deutsche oder die englische. In England aber ist die Akzeptanz für die Popmusik, wie wir sie machen, viel grösser. Radiotaugliche, für die Masse geschriebene Songs, das ist in England eine Königsdisziplin. Songs, mit denen man möglichst viele Leute erreichen will, mit jedem Ton und jeder Zeile. Das gefällt mir an der englischen Mentalität, und deshalb bin ich immer wieder gerne dort.

Wird Pop in der Schweiz zu wenig hochgehalten?
Pop wird heute bei uns viel breiter akzeptiert als noch vor zehn Jahren, als man noch die Nase rümpfte, wenn einer mit einem sauberen Popsong kam. Schon bei unseren Anfängen haben wir 3-Minuten-Popsongs gespielt, andere Bands haben viel mehr experimentiert. Wir waren totale Aussenseiter und haben das auch zu spüren bekommen.

Wollt ihr denn als Popmusiker und als Künstler ernst genommen werden, etwas bewegen oder seht ihr euch einfach als Unterhalter?
Ich sehe mich durchaus als Unterhaltungsmusiker. Wenn die Leute an unser Konzert
kommen, sollen sie während Minuten oder zwei Stunden die beste Zeit ihres Lebens haben. Sie sollen abschweifen, geniessen und berührt werden. Ein guter Song ist wie ein guter Film.

PEGASUS: WIEDER ZU VIERT
Simon Spahr (31, Gitarre, links) kehrte zurück zu Gabriel Spahni (31, Bass, Gesang), Noah Veraguth (33, Leadgesang, Klavier, Gitarre) und Stefan Brønner (31, Schlagzeug). Fünf erfolgreiche Studioalben, die mit Gold und Platin belohnt wurden, vier Swiss Music Awards, erfolgreiche Tourneen im In- und Ausland: Die vier Bieler von Pegasus waren in den letzten Jahren die grossen Durchstarter der Schweizer Pop-Szene.

Wann ist ein Song gut?
Wenn er dich einfach packt, ohne dass du lange überlegen musst, ob dir nun die Melodie
oder der Text gefällt.

Welcher ist denn euer bester Song?
Es gibt zwei, drei Kandidaten. Eine unserer neuen Nummern, «Victoria Line», hat das Zeug,
ganz oben mitzuspielen. Zwar ist der Song auf seinem Text aufgebaut, hat aber Hunderte Nuancen, die ihn ausmachen und den Text unterstreichen. Anna Rossinellis wunderbare Stimme hat hervorragend dazu gepasst. Auch das Arrangement und gewisse Frequenzen. Bei aller Bescheidenheit, der Song ist sehr clever. Lisa Oribasi hat daran mitgeschrieben und einen gewissen Dreh reingebracht – sie ist eine junge Schweizer Musikerin aus Freiburg, aber der Song ist in London entstanden. Wie auch «Metropolitans», dieser Song ist inhaltlich interessant und hat auch ein spezielles Arrangement.

Dein Markenzeichen ist die Fliege. Hat es damit eine besondere Bewandtnis?
Die kam am Anfang aus reiner Not. Weil wir gar keinen Look hatten. Da sind wir einfach in Anzügen aufgetreten, die anderen mit einer Krawatte und ich mit einer Fliege. Das hat sich dann so etabliert. Doch bei «Unplugged» reduzieren wir auch beim Outfit: Im Hallenstadion werde ich bewusst keine Fliege tragen. Mal sehen, ob die Leute das überleben (lacht).

Pegasus
21.05.2021, Hallenstadion Zürich
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