Periscope Videostreaming: Bedrohung oder Chance für Live Entertainment?

Immer mehr Smartphone-User senden mit der App Periscope live aus ihrem Leben – und übertragen auch Events wie grosse Konzerte und Sportanlässe. Manche Veranstalter und Künstler fürchten um ihre Ticket-Einnahmen, Stars wie Katy Perry aber freuen sich darüber – und über die Chancen und die Aufmerksamkeit, die ihnen die neue App und ihre schon 10 Millionen User bringen.

Schon 10 Millionen iPhone- und Android-Nutzer haben die gratis verfügbare App Periscope auf ihr Smartphone geladen. Erst vor vier Monaten, Ende März, wurde sie von Twitter lanciert. Wie Periscope-Gründer Kayvon Beykpour bekannt gab, schauen alle Nutzer zusammen 40 Jahre Videomaterial pro Tag – allein am Handy. Zugreifen lässt sich auf die privaten Liveübertragungen auch über PC und Laptop.

Die kostenlose und einfach zu bedienende App macht jedes Smartphone zu einem Fernsehsender für Direktübertragungen.

Leute geben damit Einblick in ihr Leben – und übertragen auch live von Grossanlässen, deren Tickets sich in der oberen Preisklasse bewegen. So war der Mayweather-Pacquaio-Boxkampf – das grosse US-Sportereignis im Mai – auf Periscope für jeden, der sich die 100 Dollar teuren Tickets nicht leisten konnte, in mehreren privaten Periscope-Streams live und unentgeltlich zu sehen.

In diesem Fall konnten die Veranstalter und die Inhaber der TV-Sendrechte gerichtlich zumindest erwirken, dass die Streams auf der Plattform von Periscope bleiben müssen und nicht von anderen Websites verlinkt werden dürfen. Bei zahlreichen (Gratis-)Übertragungen der neuen Staffel von Game of Thrones zwang der Pay-TV Sender die Betreiber von Periscope, die über 1000 von Usern daheim am Bildschirm abgefilmten Streams zu löschen.

Theoretisch können sich Veranstalter rechtlich gegen Periscope-Filmer und gegen die Plattform selbst wehren – und so die Übertragungen und das Speichern der Streams zumindest einschränken. Doch im Gegensatz zu den TV-Sendern wollen das viele Event-Organisatoren sowie Künstler und deren Managements gar nicht:  «Umarme die Zukunft freudig, sonst hängt sie dich ab», sagt Katy Perry, die das Streamen auf ihren Konzerten nicht nur erlaubte, sondern sogar dazu aufforderte – und den passenden Hashtag #perryscope propagierte.

Katy Perry erlaubt an ihren Konzerten auch die eh kaum zu verhindernde Handy-Photographie. «Smartphones sind der neue Applaus.» sagt sie, und freut sich an ihren Konzerten über viele leuchtende Mobile-Displays. Sie findet: «Ich bin ja nicht jemand wie Jack White, sondern ein Bubble-Gum-Popstar, und meine Fans wollen diese Form von Bubble-Gum-Bildern.»

Der deutsche Radiosender Bayern 2 berichtete kürzlich über den U2-Fan Timothy Neufeld, der Bono und seiner Band seit Mai nachreist und unterdessen vier ganze Konzerte als Livestreams ins Netz stellte. Darin sieht der Mega-Fan ganz und gar kein frevlerisches Tun, im Gegenteil sagt er: «Ich glaube, die Künstler profitieren davon.» Er sei überzeugt, dass die U2-Fangemeinde dank seiner Aktionen wachse. Mittlerweile schaltet sich Tim Neufeld auch nach den Konzerten auf Periscope ein, um dann gemeinsam mit seiner Frau über den Event zu chatten. Sowohl auf den Live-Streams wie in der Nachdiskussion schauen jeweils über 2’000 Fans zu – und können sich dabei selber mit Chat-Kommentaren einschalten.

Manche Veranstalter sehen Periscope jedoch weniger als neuen Kanal zur Fanbindung und für kostenlose Promotion, sondern vielmehr als Bedrohung, sie fürchten – den meist wackligen, schummrigen Bildern und den dürftigen Tonübertragungen zu Trotz – um sinkende Einnahmen. Am Tennisturnier in Wimbledon wurde den Zuschauern der Einsatz von Periscope deshalb strikte verboten.

Rechtlich ist die Situation klar: Eine Übertragung von Anlässen oder auch künstlerischen Werken verstösst überall auf der Welt gegen das Urheberrecht – zumindest an Events, die nicht im frei zugänglichen öffentlichen Raum stattfinden.  In Ländern wie Deutschland gelten ab 500 Zuschauern zusätzlich die Auflagen des Rundfunkgesetzes. Jemand, der die App auf seinem Handy einsetzt, bräuchte also sogar eine reguläre Sendekonzession.

In der Marketing- und Kommunikationsbranche sieht man Apps wie Periscope oder das etwas früher lancierte, ähnlich funktionierende Meerkat vielmehr als Chance, um mit potenziellen Kunden und Fans in einen Dialog zu treten und sie auf einem neuen und «coolen» Weg anzusprechen. Unternehmen auch im Veranstaltungs- und Entertainmentbereich denken deshalb sogar über einen aktiven professionellen Einsatz von Periscope nach. Die Firma Lewis PR gibt dazu sieben nützliche Tipps; der Marketing-Experte Tom Leonard veröffentlichte ein Whitepaper zum Download.

Aktuelle Live-Streams auf Onperiscope.