Alle fünf Jahre muss und möchte Peter Maffay (70) zeigen, wo der Hammer hängt, und ein Rockalbum rausbringen. Das neueste heisst prägnant und auf den Punkt gebracht «Jetzt!» – es klingt verdammt lebendig. Jetzt ist er mit den 17 neuen Songs auf Tournee – und kommt bald auch in die Schweiz.


event.: In «1000 Wege» singst du: «Wir müssen nicht immer bloss geradeaus laufen.» Was waren deine bisherigen knapp 70 Lebensjahre für ein Weg?
Da war wirklich alles dabei. Ich bin gesprungen, untergetaucht, gestolpert, auf die Schnauze gefallen, Kurven waren dabei, manche Strecken verliefen auch durchaus schön gerade. Ich habe vieles gesucht, einiges auch gefunden und weiss, dass die Suche nicht wirklich aufhört. Die ersten tausend Wege kenne ich. Die nächsten Wege kenne ich nicht, ich weiss auch nicht, wie viele es sein werden. Wenn ich aus der zurückgelegten Strecke ein paar Rückschlüsse ziehe, dann die, dass ich es zukünftig vermeiden möchte, einen allzu kurvigen Weg zu laufen.

Wonach suchst du?
Nach Deutlichkeit, Unmissverständlichkeit, Effizienz, Befriedigung mit den Dingen, die man tut, nach Unverbogenheit – wohl wissend, dass der Kompromiss oft sinnvoller als alle anderen Lösungen ist. Ich glaube, bis zum Tod wird es immer etwas geben, wonach man suchen kann.


Dein Sohn Yaris ist 16. Kommt er sehr nach dir?
Nicht wirklich. Er ist einen halben Kopf grösser als ich (lacht).

Ist Musik für ihn ein Thema?
Er fängt damit an. Er lebt in Spanien, und wir verbringen nur limitiert Zeit zusammen. Wenn er bei mir ist, dann nehme ich ihn mit ins Studio. Er hat auch mit seinen Kumpels eine Band. Ich pushe ihn aber nicht, er muss seine Entscheidungen selber treffen. Aber er
bekommt von mir, wenn er will, jede Unterstützung. Ich habe schon den Eindruck, dass ihn das interessiert.

Würde es dich freuen, wenn er in deine Fussstapfen tritt?
Ich würde mich freuen, wenn Yaris Musik zum Teil seines Lebens macht. Er ist kontaktfreudig, ihn interessiert Technik. Er ist ein bisschen wie ein Schwamm, so war ich früher auch. Mir war es mit 14, 15 klar, dass ich nichts anderes machen will als Musik. Ob mein Sohn dann später von der Musik lebt, ist nicht so entscheidend. Wichtiger ist, dass er mit der Musik lebt. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es mit besser geht als ohne. Ich wüsste nicht, wie ein Leben ohne Musik aussieht.

Deine Tochter ist neun Monate alt. War es eine lange Überlegung, in eine Welt, die so grausam ist wie in deinem «Morgen»-Video gezeigt, einen jungen Menschen zu setzen?
Du hast mich gefragt, ob ich Pessimist bin. Nein! Ich bin eher Optimist. Ich glaube, dass es eine positive Perspektive gibt. Aber ich weiss, dass es sie nicht gibt, wenn wir uns nicht bewegen.

Bist du als Vater entspannter geworden?
Das glaube ich schon. Weil vieles, worauf ich Zeit verwandt habe, erledigt ist. Im Grunde genommen entsteht da ein Freiraum, den ich gern mit den beiden ausfülle. Die Kinder haben so viel Power, die inspirieren mich extrem.

Hast du nach der Geburt deiner Tochter eigentlich so etwas wie Elternzeit genommen?
Ach, die sind zu Hause manchmal ganz froh, dass ich Leine ziehe und ins Studio gehe. Wir organisieren uns als Familie anders. Meine Lebenspartnerin Hendrikje und ich, wir besprechen sehr vieles. Wir teilen uns schon die Zeit ein und unternehmen ernsthaft den Versuch, dass die Zeit füreinander dabei nicht zu kurz kommt. Aber gerade jetzt in dieser Phase geht es nicht anders, als Vollgas zu geben. Ich kann die Kleine jetzt nicht im Schlepptau mitnehmen, das wäre für keinen von uns gut.

Du hast Hendrikje als die «Frau deines Lebens» bezeichnet. Wie meinst du das?
Wir sind uns begegnet. Wir haben uns sehr schnell gefunden, was jetzt ja auch schon wieder vier Jahre her ist. Und es ist so spannend wie am ersten Tag – nein, noch spannender. Ich fühle mich in dieser Beziehung total richtig und wohl. Und ich hoffe, dass es ihr auch so geht.

Wir sprachen am Anfang über deinen Lebensweg. Würdest du gerne wissen, wie der von hier ab weiter verläuft?
In mancher Hinsicht wohl. Wenn ich wüsste, auf welchem Weg zum Beispiel Gesundheit zu finden ist oder Kraft, Zuversicht und Hoffnung, dann würde ich diesen Weg nehmen. Ich kann nur hoffen, dass auf dem Weg, für den ich mich entscheide, diese Qualitäten liegen. Wenn irgendwo ein Schild stünde «Langes Leben«, dann würde ich den Weg wählen. Auf der anderen Seite: Würde ich das Ergebnis bereits kennen, würde ich mich nicht mehr so anstrengen. Den Weg nicht zu kennen, ist also auch ein Ansporn. Also mache ich ordentlich Liegestützen und Kniebeugen (lacht).

Was tust du sonst für die Gesundheit?
Ich lebe nicht militant nach Plan. Ich versuche, nicht zu viel und einigermassen gesund zu essen, und ich weiss, was mir nicht bekommt.

Was wäre das?
Naja, meine Erfahrungen mit Alkohol und Zigaretten waren heftig. Also lasse ich das.

Fehlt dir der Exzess von früher manchmal?
Nein. Gar nicht. Ich hau mir manchmal so ein fettes Eis rein oder Schokolade. Das merke ich sofort. Ansonsten halte ich mich relativ zurück. Ich treibe ein bisschen Sport, aber auch nicht exzessiv.

Was für Sport machst du?
Auf Tour das, was halt geht. Gymnastik, und manchmal bekomme ich ein paar Hanteln aufs Zimmer. Ich habe oft zwei Stöcke dabei, für Escrima, eine Kampftechnik, ähnlich wie Tai Chi, nur mit Stöcken. Das ist eine superschöne Art, sich zu bewegen, du lernst Koordination, und sie erhöht schön gleichmässig die Beweglichkeit der Fingermuskulatur.

Du hast ungefähr den Körper eines Mittdreissigers, oder?
Ich komme für mein Alter ganz gut zurecht. Ich fahre zum Beispiel gern Fahrrad. Ich liebe ja Motorräder, doch die stehen von Jahr zu Jahr länger in der Garage. Mir ist das Fahrrad inzwischen viel wichtiger, auch weil es meditativer ist. Ich bin Frühaufsteher. Wenn ich um 6 Uhr aus den Federn komme, sitze ich um Viertel nach auf dem Rad und fahre 10 bis 15 Kilometer. Anschliessend hole ich Brötchen beim Bäcker, wir frühstücken zu Hause zusammen, und dann gehe ich arbeiten.

Beschäftigt dich mit 70 die eigene Sterblichkeit?
Ja, die beschäftigt mich schon. Vieles von dem, was wir hier besprechen, mache ich, um sie noch nicht zum Thema werden zu lassen. 70 ist eine Ansage, darüber bin ich mir im Klaren. Mein Vater ist 93 Jahre alt, wie der denkt und sich verhält, das ist erstaunlich. Körperlich hat er Schwierigkeiten, aber geistig ist er phänomenal. Auch er ist ein disziplinierter Mensch gewesen, und ich glaube, dass man mit Überlegtheit und Disziplin zumindest die Voraussetzungen schaffen kann, eine solche Strecke zurücklegen zu können. Das werde ich auch müssen. Denn wenn meine Tochter Anouk ihr Abitur macht, werde ich Ende 80 sein.

Wirst du so lange Musik machen, wie du kannst?
Das ist abhängig von meiner Leidenschaft und meinem Interesse für Musik. Es kann ja durchaus sein, dass andere Prioritäten entstehen, von denen ich jetzt noch nichts weiss.

Peter Maffay
NEU – 18.08.2020, Hallenstadion Zürich
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